Was Sibylle Berg mit ihren höllisch explosiven Texten wie ein ausuferndes Tisch-Feuerwerk beim Aufräumen nach der Party zündet, wo also Goldregen mit Knallerbsen und Stinkbömbchen zur authentischen Katerstimmung detonieren, lenkt die Nürnberger Inszenierung auf Rollenspiele um. Die Lady-Kracher (durchtrainierte Comedy von Karen Dahmen, Lilly Gropper, Nicola Lembach und Ruth Macke) lassen sich nicht ins Chaos mitreißen, sie demonstrieren die artifizielle Komik der Hilflosigkeit in Profi-Distanz. Augenzwinkern inbegriffen. Die eindeutige Front zwischen den wankenden Frauen und ihren „klare Ansage“ fordernden Mädels aus der Neigungsgruppe „Neue Sachlichkeit“ gibt es in dieser Konstellation gar nicht. Erst quäkt der Nachwuchs mit Mickeymouse-Stimme aus dem Off, dann springen die Schauspielerinnen abwechselnd vom Mutter- zum Tochtertext und zurück.
Vor allem aber schlüpft da ein Riesen-Baby, das in voller Bühnen-Höhe mit viel Augenklappern die Szene beherrscht. Ausstatterin Luisa Wandschneider lässt das niedliche Monster wie einen Sündenfall von Gullivers Riesen-Reise mit viel Dampf und Gegenlicht gebären und im Zentrum der Szene parken. Dort kann es von den verzwergten Müttern nach Bedarf gewindelt, gekleidet und gehätschelt werden, wie es das Gugu-Dada vorschreibt. Ein fabelhaft absurdes Bild. Der Versuch, angemessen gerührt zu sein, stößt dabei zwangsläufig an Grenzen. Die vier Frauen, die alle Gefühls-Standards vom „spitzen Schrei“ bis zum „verschmitzten Lächeln“ in Selfie-Qualität bereit halten, nehmen weitere Wünsche gerne entgegen. Und sei es nur, um sie vorübergehend zu unterlaufen.
Die Nürnberger Inszenierung, die den pointenprickelnden, manchmal aber eben auch verzweifelnd komischen Text strikt wie Brausepulver einsetzt, kann freilich nicht darauf hoffen, dass die Zuschauer wie in einen Spiegel blicken. So gesehen war die Entscheidung, alles nur Show sein zu lassen, nachvollziehbar. Das Ergebnis ist eine schlüssige Alternative zur Uraufführung – wenn auch in einer anderen Liga. Das Premierenpublikum war amüsiert, betroffen sicher nicht.