Peter Maxwell Davies’ letzte, gut einstündige Oper „Mr. Emmet Takes A Walk“ aus dem Jahr 2000 mit einem Libretto von David Pountney braucht auf der Bühne nur eine Sängerin, zwei Sänger und einen Schauspieler. Auch das Orchester ist kammermusikalisch besetzt. Der Spaziergang, den Mr. Emmet unternimmt, führt ihn in einen Park, ein Hotelzimmer, auf einen Berg und in ein Varieté. Die Grenzen zwischen äußerer und innerer Realität sind fließend. Er begegnet seiner verstorbenen Mutter und dem Klavierlehrer seiner Kindheit. Es ist (auch) ein Spaziergang ins Innere – in seine Ängste und seine Selbstzweifel. Als er über die Hitze im Hotelzimmer klagt, klärt ihn der Klempner auf, dass es nicht an der Heizung läge, sondern dass die Hitze von innen käme.
In Freiburg trägt Mr. Emmet einen braunen Anzug und einen Seitenscheitel (Kostüme: Victoria Behr). Er hält sich fest an seiner verschlissenen Aktentasche und wirkt zu Beginn übertrieben gut gelaunt. Mit seinem leichtgängigen, dennoch tragfähigen Bariton macht Michael Borth aus Mr. Emmet einen nicht unsympathischen Zeitgenossen, der von einem Vertrag spricht, vor einem Klavier kniet und verzückt ein paar Töne klimpert. Die Oper startet mit Schleifgeräuschen. Ka (Samantha Gaul) und Mr. Todd (Alexander Kiechle) schrubben die Bühne. Sie sprechen von einem Zug und viel Blut, das sie entfernen müssen. Die swingende, kleinteilige Musik, die vom Philharmonischen Orchester Freiburg unter ihrem 1. Kapellmeister Ektoras Tartanis fein modelliert aus dem Orchestergraben tönt, bildet einen hübschen Kontrast dazu. Samantha Gaul brilliert als Putzfrau und Showgirl, als madonnenähnliche Mutter und Grande Dame mit quecksilbrigem Sopran und großer Präsenz. Alexander Kiechle (Mr. Todd, Sicherheitsbeamter, Kellner, Klavierlehrer, Gabor) ist darstellerisch ähnlich wandelbar. Nur in der Tiefe wird sein Bass etwas zu dünn.
Herbert Fritsch versucht erst gar nicht, der offenen, rätselhaften, von einer Episode zur nächsten springenden Geschichte eine Richtung zu geben. Zarte Verbindungslinien entstehen durch die Variation der Kostüme oder die vom Orchester delikat gestalteten Zwischenspiele. Fritsch betont den theatralischen Augenblick. Den Brüchen der Vorlage fügt er weitere hinzu, die genüsslich zelebriert werden dürfen. Die Auftritte von Hartmut Stanke als Mr. E., der absurde To-Do-Listen („Die Katze sterilisieren“, „Zur Maniküre gehen“, „Meinen dämlichen Hut tragen“) rezitiert, sind schön absurde Einschübe. Dass sich dieser Mr. Emmet am Ende vor einen Zug werfen wird, kündigt sich nicht an. Die wenigen Spannungsverschärfungen wie die vom Band eingespielten gehetzten Schritte oder die scharfen Blechattacken haben szenisch keine Folgen. Fritsch bleibt bei dem revuehaften Grundton, der manches Mal zu selbstverliebt daherkommt. Am Ende kreischt der Zug – und Mr. Emmet hält sich die Augen zu. Dieser Spaziergang endet tödlich. Warum? Das erfährt man in Freiburg nicht.