Mattes Herre, Maria Thomas und Clara-Luise Bauer knien und hocken um ein altes Rohr herum, die Fundsache.

Sachenfinder

Shaun Tan: Die Fundsache

Theater:Theater Baden-Baden, Premiere:21.03.2025Regie:Sascha FlockenKomponist(in):Burkhard Finckh

Am Theater Baden-Baden bringt Regisseur Sascha Flocken mit viel Liebe zum Detail eine Graphic Novel auf die Bühne: „Die Fundsache“, im Original von Shaun Tan, spielt mit dem Gedanken, dass auch Gegenstände ihr Eigenleben entwickeln können und fragt nach dem Wert der Dinge.

Der Australier Shaun Tan zeichnet wunderbar schräge Bilderbücher. In „Die Fundsache“ – im Bildmaterial collagehaft zwischen Formen des Konstruktivismus und des Surrealismus changierend – erzählt er die Geschichte von einem Ding, das ein Ich-Erzähler am Strand findet, lieb gewinnt und doch auf Druck seiner Eltern abgeben soll. Aber auch Sachen können traurig sein, sich einsam fühlen, mehr noch, sie können es auch zeigen, so dass der Ich-Erzähler es im „Amt für Krimskrams“ doch nicht als Fundsache abliefern möchte.

Bilderbücher auf der Bühne umzusetzen ist nicht einfach. Zumeist versucht man das Bildmaterial zu nutzen und relativ frei mit dem kargen Textmaterial umzugehen. Am Theater Baden-Baden gehen Sascha Flocken und das Ensemble einen anderen Weg: Ihr Ausgangspunkt ist das Textmaterial, setzen es aber klug in ein neues, von Caroline Stauch geschaffenes szenisches Ambiente. Sie hat eine Wand aus alten Schränken und Kommoden mit vielen Türen und Schubladen in verschiedener Größe aufbauen lassen, vollgestopft mit lauter Krimskrams, mit dem man herrlich spielen kann, nicht nur mit der Sammlung von Kronenkorken.

Ohne erhobenen Zeigefinger

Shaun Tan betont in seinem Buch am Ende, keine tiefgründige Geschichte erzählen und auch keine moralische Botschaft vermitteln zu wollen. Die Inszenierung von Sascha Flocken übernimmt am Ende diese Sätze – und erfüllt sie. Die Regie setzt sich zusammen mit Clara-Luise Bauer, Mattes Herre und Maria Thomas lustvoll mit dem spielerischen Potential des Aufbewahrens und des Wegwerfens auseinander – ganz ohne Zeigefinger. Die drei Darsteller:innen machen sich gleich zu Beginn daran, die Schubladen der Kommoden aufzuziehen und die darin liegenden Dinge in drei Haufen aufzuteilen: kann bleiben, kann vielleicht bleiben, kann weggeworfen werden. Dabei geraten die Drei in Streit, herrlich wie beispielsweise Maria Thomas schmollen kann und heimlich hinter dem Rücken der Anderen umräumt.

Das epische Prinzip der Vorlage wird beibehalten. Alle Spieler:innen sind der eine „Ich-Erzähler“. Sie treten aber nicht chorisch auf, sondern ein Satz wird von den Dreien nacheinander gesprochen. Aus dieser Grundposition heraus entwickeln sich Spielsituationen, in denen der „Ich“-Status aufgelöst erscheint.

Fokus Spielobjekt

Im Zentrum steht dabei das von der Figurenspielerin Vanessa Valk gestaltete „Ding“, ein rotes, kugeliges Ding mit zwei „Beinchen“, das auch Töne des Traurigseins aber auch des Lächelns hervorbringen kann. Es passt nicht in die normal-logische Welt. Gerade darum wird es zum wunderbaren Spielobjekt, das vom Ensemble abwechselnd animiert wird (Objektregie auch Vanessa Valk). Das geht manchmal zu Lasten des hohen Spieltempos, wird aber überspielt durch die genaue Komödiantik, die dieser Inszenierung innewohnt. Nicht nur Maria Thomas verfügt über ein hohes komisches Potential, Clara-Luise Bauer steht ihr in nichts nach. Das Spiel von Mattes Herre wird von einem pointierten trockenen Humor bestimmt.

Alle Drei sind zusammen ein wunderbares, spiellauniges Ensemble, bei dem es Spaß macht, zuzusehen. Unterstützt werden sie durch die dezente Musikauswahl von Burkhard Finckh. Am Ende dann sind alle Drei auf der Suche nach auf den Schränken gemalten Pfeilen, die schließlich nach draußen – außerhalb der Bühne – weisen. Mit Publikumsbeteiligung finden sie den Weg hinaus und aus dem Bilderbuch. In dem „Draußen“ erwartet den Besucher noch eine kleine Ausstellung. Eine Schulklasse hat alle Objekte ausgestellt, die sie in der Klasse, auf dem Schulweg oder anderswo gefunden hat. Das ergänzt sich zu einem wunderbaren Theater, das auf hohem Niveau unterhaltend ist.