Vor der Kirche berichtet Pater Lorenzo in dahingefleztem Bayrisch vom Megastress, den die beiden Herzrasenden mit ihren verfeindeten Familien haben. Und verkündet Schiller-schlau einen Drum-prüfe-wer-sich-ewig-bindet-Rat: vorm Heiratsantrag erstmal ordentlich Erfahrungen sammeln und erkunden, was man so vom Miteinander will. Rosalind etwa will unbedingt Romeo zurück. Als seine Ex trägt sie ein Kleid aus vollgeheulten Papiertüchern und keift: „Diese Julia ist ja so hohl.“ Ihr Thema, klar: Eifersucht. Ihr Auftrag: MP3-Player als Audioguides aushändigen. Romeo schmalzt sogleich mit schwülstig geblähten Verführungsbetonungen in unsere Ohren, reimt auf Klaviergeklimper mit Shakespeare-Worten der Empfindsamkeit. „Wie die sich anschmachten: ekelhaft“, tönt Rosalind dazwischen. „Voll peinlich“ auch das schniefende Elend Mercutio: „Romeo ist mit dieser Bitch abgedampft, nicht mal eine SMS hat er mir geschickt!“ Er ist also wie auf so vielen Theaterbühnen zuvor mal wieder schwul, hat seinen besten Kumpel geliebt und sorgt nun für ein voll süßes Outing. Sein neuer Freund sammelt zwischendurch Sprüche, mit denen man an die Tür des Herzens pochen kann. Und notiert Rückmeldungen wie: „Ich bin vom ADAC, darf ich dich abschleppen.“ Schließlich erschreckt eine feenhafte Magierin recht zartfühlend die jugendlichen Besucher mit Weissagungen üppigen Kindersegens und berichtet stolz verschämt, auch Romeo und Julia die Zukunft verraten zu haben. Die beiden melden sich daraufhin per Videobotschaft aus der Zukunft. Gustav und Dora heißen sie jetzt, sehen aus wie unser aller Oma und Opa und geben zu, vor dem Schlamassel ihres Schicksals geflohen zu sein. Bei Mord, Totschlag, Suizid wollten sie nicht mitspielen.
Ihr Drama fand nicht statt. Findet nicht mehr statt? Ist das Lebensgefühl perdu, alles zu wollen, alles zu geben, alles verlieren zu können? Bleibt als Sehnsucht: gutbürgerliche Verrentung? Egal. Auch ohne Romeo und Julia wird am Hochzeitsbankett geluncht. Und anschließend sogar den Lehrern die Nachbearbeitung des beeindruckenden Spektakels abgenommen. In angeleiteten Kleingruppen entstehen Videoclips, Texte, Podcasts und Fotoserien sowie Klein-Skulpturen für ein großes Mobile. Das Ergebnis überrascht: Die Schüler achten darauf, dass der Kopf die Gefühle hinter sich herzieht. Beschrieben wird Liebe weniger in der utopischen Dimension eines auf Glücksdauer angelegten Konzepts, eher als fragiles Konstrukt: zum Hochhüpfen schön. Freundschaft erscheint als Gestaltungsaufgabe des Projektes Lebenskunst: zum Niederknien wichtig. Und wie beurteilen die Premierenbesucher das an ihrer Kreativität kitzelnde, verlässliche Ganztagestheater? „Cool“ steht im Gästebuch.