So jedenfalls geht es zu in Erich Kästners „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ aus dem Jahr 1931. Im Auftrag der Semperoper haben Librettist Manfred Weiß und der Komponist Gordon Kampe daraus ein Tanztheater mit Musik gemacht, das Raphael Coumes-Marquet für die Studiobühne „Semper Zwei“ choreografiert und inszeniert hat. Rausgekommen ist eine amüsante, knapp einstündige Melange aus Bilderreigen, Gesang, Tanz und spritzig galoppierender Musik. Für die sorgt ein kleines „Projektorchester“, bei dem Katharina Müllner den acht Musikern vorgibt, wo es mit Flügel, Schlagzeug, E-Gitarre, Saxophon, Trompete, Klarinette, Saxophon, Cello, Kontrabass und Akkordeon lang geht. Arne Walter (Bühnenbild und Video) hat die Tanzfläche hinten mit einer grauen Schräge begrenzt, die zur Projektionsfläche für seine Video-Bilderfolgen gehört. An einer auslaufenden Ecke sind die Musiker und ihre Instrumente halb verdeckt. Noch bevor es losgeht regnet es im Video in Strömen – von da an konnte die Stimmung nur noch besser werden.
Erzählender Tanz
Neu komponierte Musik, die sich nicht einfach anbiedert, bei der aber auch die kleinsten unter den Zuschauern bei der Sache bleiben und mitgehen, das muss man erstmal hinbekommen. Kampe hat das mit sicherem Instinkt für Bewegung und erzählende Szene geschafft. Keine großen Sprünge, eher ein pointiert rhythmisches Schrittmaß, bei dem auf der Tanzfläche beim erzählenden Tanzen und auf den Zuschauerplätzen beim verstehenden Zuhören niemand aus dem Tritt kommt.
Der junge ukrainische Bariton Oleh Lebedyev als Onkel Ringelhuth (mit Hut und Regenschrim auf alles eingestellt), Carl Becker als sympathischer, tanzender Konrad und Madison Whiteley als hinten auf Spitze und vorn auf Rollschuhen ausgelegtes, graziöses ehemaliges Zirkuspferd Kaballo (das sogar sprechen kann) machen sich ab durch die Mitte bzw. den dort platzierten, hübsch altmodischen Kleiderschrank in Richtung Südsee. Sie begegnen dabei zuerst einem Vielfraß im Schlaraffenland. Vor der sagenhaften Burg »Zur großen Vergangenheit« treffen sie zwei Typen, die als Caesar und Napoleon aufeinander losgehen. Für den Onkel brenzlich wird es da, wo Kinder regieren und den Erwachsenen Benehmen beibringen.
Abgestimmt melodisch
In der Hightech-Stadt Elektropolis, die an Modern Times erinnert, bewegen sich die Menschen schon ziemlich mechanisch und versuchen, ein Automobil zusammen zu basteln, dessen Einzelteile doch lieber für sich bleiben wollen. Hier kommt das halbe Dutzend von – wie es heisst: „Teilnehmenden des Elevenprogramms in Kooperation mit der Palucca Hochschule für Tanz Dresden“ alle zusammen und gut abgestimmt zum Zuge. Schließlich landen die Drei am Ende tatsächlich in der Südsee bei der karoliebenden Prinzessin Petersilie. Für jede Station findet Kampe das passende (am Ende sogar melodisch schmeichelnde) musikalische Kolorit. Für den Wechsel zur jeweils nächsten Station findet er den vorwärtsweisenden Rhythmus und Coumes-Marquet das entsprechende Bewegungsrepertoire. Die entsprechenden phantasievoll passenden Kostüme haben sie von Frauke Spessart eh alle bekommen.
Kann gut sein, dass dem Komponisten, der Anfang dieses Jahres mit seiner „Dogville“ Oper nach Lars von Triers Kultfilm Furore machte, öfter selbst mal einen 35. Mai beim Komponieren erwischt.