Und darum geht es in dem Stück: aufzuspüren, wie übergriffig das Verhältnis der Geschlechter im Nicht-Zuhören-Können wird. Es enthüllt sich im Nicht-Ernstnehmen des Anderen dessen Herabsetzung, weil man ihn ja zu kennen scheint. Hübner und Nemitz entwickeln ihre Figuren ambivalent. Sie führen Haltungen vor, werten diese aber nicht. Das muss schon der Zuschauer tun. Sie arbeiten dabei ganz bewusst mit Klischees, die dem bürgerlichen Publikum nicht unbekannt sind. Allerdings übertreiben sie mit der feministischen Therapeutin, da fungiert das Klischee denn doch eher vorurteilshaft und zeigt Jana in den Männeraugen eher als ferngesteuert. Katharina Hauter spielt diese Jana als jemand, dem die Welt weg bröckelt, als jemand, der auf der Suche ist, aber in ihrer Welt auf Unverständnis stößt. Sie spielt das mit kleinen Gesten groß aus. Erscheint sie zu Beginn ein wenig wie eine graue Maus, so wächst sie in ihrer Verzweiflung über sich hinaus. Am Ende wird sie Erik verlassen.
Marco Massafra spielt Erik, den Filmkritiker, der seine Affären mit Frauen hat, die er vor Jana verbirgt, und sich als großer Frauenversteher inszeniert, der sich aber nicht wirklich auf sein Gegenüber einlässt; eine Karikatur, wie es auch der Text nahelegt. Marietta Meguid und Michael Stiller sind das ältere Paar Sonja und Bruno. In deren Zusammenspiel herrscht eine große Vertrautheit, ihr Alltag wirkt eingespielt. Da stehen sich zwei gleich starke Persönlichkeiten gegenüber. Großartig, wie die beiden das machen. Und doch gibt es auch hier eine Geschichte. Bruno hat den gemeinsamen Sohn akzeptiert, obschon er aus einer anderen Beziehung Sonjas, die mit einer Vergewaltigung endete, stammt. Hier wird nun sexueller Missbrauch zum Thema, den Jana so nicht erlebt hat. Wo beginnt der Missbrauch? Wo sind die Grenzen zu ziehen? Es ist eine Stärke des Stücks, diese Frage an das Publikum zu übergeben, aber nicht zu beantworten.
Die Schweizerin Sophia Bodamer hat die Uraufführung im Kammertheater des Schauspiels Stuttgart im abstrakten Raum von Prisca Baumann inszeniert. Dieser wird von einem Gerüst dominiert, in dem hölzerne Schiebewände hin- und hergeschoben werden und immer neue Räume schaffen. Aus dem gleichen Material ist auch das sparsame Mobiliar, eine Bank und zwei Stühle, die schon einmal, wenn jemand in Wut gerät, umgestoßen werden. Zwischen den Wohnungen der beiden Paare gibt es keine Unterschiede, so wirken diese wie Spiegelbilder. Bodamer nutzt das, zeigt die Nuancen in den Figuren und entwickelt ein hohes Spieltempo, unterstützt von den leisen Tönen der Musik von Tobias Preisig, die nur zwischen den Akten laut wird. Im dritten wird das Gerüst hochgefahren. Die vier Spieler stehen weit auseinander im Raum, obschon sich ja die beiden Frauen wie die Männer heimlich treffen. Wenn Sonja und Jana miteinander sprechen, wenden sich die Männer ihnen zu, wie auch umgekehrt: Da herrscht plötzlich eine Aufmerksamkeit, wie es sie zuvor zwischen den Figuren nicht gegeben hat. Bodamer gelingt da eine eigentümlich schwebende Stimmung, die die Einsamkeit dieser Figuren groß ausstellt.