Jean Philippe Rameaus Opéra-ballet „Les Indes galantes“, uraufgeführt 1735, hat eine Vielzahl von Schauplätzen und Handlungssträngen zwischen der Türkei, Peru, Persien und Amerika. Doch Anna Viebrocks Einheitsraum für die Münchner Erstaufführung bei den Opernfestspielen im Prinzregententheater ist ein Innenraum wie im (Naturkunde-)Museum. Er zeigt zu Beginn ein Klassenzimmer, das zur Kirche mutiert, zum Blumenladen wird und schließlich ein Zeltlager mit Backpackern beherbergt, das auch ein Flüchtlingslager sein könnte, zumal statt französischer Fähnchen nun eine kleine Europaflagge geschwenkt wird. Dafür muss der Choreograph Sidi Larbi Cherkaoui die Handlung straffen, kürzen, zuspitzen und die Tänzerinnen und Tänzer seiner Truppe namens „Eastman“ als Multikulti-Putztruppe agieren lassen. Doch das gelingt ihm furios, oft herzerfrischend komisch und mit einer Lockerheit in der Bewegung von Tänzern und Sängern (fast alle in Doppelrollen), dass man am Ende beschwingt das Prinzregententheater verlässt, zumal auch auf höchstem Niveau gesungen und musiziert wird.
Schon wie am Anfang im Prolog Hebe (herrlich gouvernantenhaft: Lisette Oropesa) als Lehrerin anhand von großen Karten Flora und Fauna unterrichtet und doch nicht verhindern kann, dass die Jungs zu Waffen greifen, verblüfft in der spielerischen Logik der Umdeutung. Wenn anschließend Emilie (mit feinem Glanz: Elsa Benoit) gegenüber Osman (bassgewaltig und doch stilistisch sicher: Tareq Nazmi) um ihren Valère kämpft, dann agiert dafür der famose hohe Tenor Cyril Auvity virtuos singend und zugleich angstfrei hoch über den Vitrinen auf deren Decke tänzelnd. Für diesen männlichen Mut und Charme verzichtet sogar Osman auf die Angebetete.