Sechs Frauen prägen die „Frauensache“, ihre Männer oder (Geschäfts-)Partner sind nur in ihren Gesprächen präsent. So will Beate (Lisa Schlegel) ihre Praxis vor allem deshalb aufgeben, weil ihr Mann an einer schweren Krankheit leidet. Mit ihm wolle sie noch ein gemeinsames Alter erleben, sagt sie gleich zu Beginn. Deshalb ist sie so froh, dass die jung-dynamische Hanna Sievers ihre Praxis übernehmen will. Swana Rode spielt die Nachfolgerin in spe zunächst wie einen sympathischen Sonnenschein, doch im bald beginnenden Pro und Contra über das Thema Schwangerschaftsabbruch und den Rechtspopulismus wandelt sie sich zu einer schrillen Alice-Weidel-Karikatur. So knallt es aufeinander, das neuerdings geschmähte links-liberale Establishment, für das Beate steht, und die völkisch-rassistisch orientierte Szene der Nazi-Hippster, denen Hanna ein Gesicht gibt. Die junge Ärztin lebt in einer bräunlichen Kameradschaft auf einem Ökohof und agitiert mit subtilen Hassbotschaften in ihrer Blog-Community. Hanna sieht ihre Aufgabe darin, das ungeborene Leben unbedingt zu retten und Abtreibungen auf alle Fälle zu verhindern. Beate gerät deshalb in ihrer Provinz-Praxis in den „vordersten Schützengraben“.
In Alexandra Liedtkes Inszenierung sieht der Schützengraben des Verbalgefechts aus wie ein halbrundes, gestaffeltes Stufen-Auditorium, das die Architektur des Kleinen Hauses in Karlsruhe en miniature zu spiegeln scheint. Simeon Meier hat dieses Bühnenbild entworfen, auf ihm lässt sich das Oben und Unten des argumentativen Machtgefüges ganz klar zeigen. Vor allem in der Schlüsselszene einer Podiumsdiskussion, während der Beate so extrem vorgeführt wird, dass sie von einer „Hinrichtung“ spricht.
Gegen ihre Sprechstundenhilfe Mira (Sarah Sandeh) richten sich die üblen Ressentiments der Rassisten, denen die vor Krieg und Folter geflohene syrische Migrantin mit scharfen Worten begegnet. Sie kennt die westlichen Grundwerte einfach besser als die braunen Nationalisten. Zum Darstellerinnen-Sextett gehören noch Claudia Hübschmann als Amtsleiterin aus dem Rathaus, Ute Baggeröhr als rechtspopulistische Kommunalpolitikerin mit bürgerlicher Fassade und Marie-Joelle Blazejewski in der Rolle der ungewollt schwanger gewordenen Elke. Alle zusammen führen äußerst geschickt vor Augen, wie stark der Riss schon geworden ist, der durch unsere Gesellschaft geht. Sie war eben schon immer besonders höllisch, die Provinz. Das weiß man spätestens seit den mörderischen Umtrieben in Güllen, dem gemeingefährlichen Hotspot aus Friedrich Dürrenmatts Gesellschaftssatire „Besuch der alten Dame“.
Man mag dem Autorenduo Hübner/Nemitz zwar eine gewisse holzschnittartige Zuspitzung ohne differenzierende Zwischentöne vorwerfen, andererseits gewinnt ihre „Frauensache“ gerade dadurch so viel Kraft. Das Stück dürfte noch vielerorts nachgespielt werden. Auch eine Verfilmung ist nicht ausgeschlossen.