Beißend fröhlich legen Arnold und Bach hinter der gutbügerlichen Klinke-Fassade die Doppelmoral bloß. Ein gefundenes Fressen für Fritsch, der nicht nur in Ibsens “Nora” die unterdrückte Übersexualisierung und die “Vollverkrampfung” der Bürgersleute unter dem Teppich hervorkehrte. Da neigt sich der Bruder etwas zu lang seiner ergebenen Schwester zu, mit lockenden Magiergesten verführt Rechtsanwalt Dr. Gerlach Klinkes Tochter Paula wie auch das Hausmädchen Marie, und wenn der kurzbehoste Heinrich das Küssen übt, schleift er die großäugig grinsende Cousine Wally (Inka Löwendorf) wie eine Puppe über die Bühne. Die Moral allerdings hat bei Fritsch ihre Grenzen: Bewundernd sieht Emma auf ihren potenten Mann, als der am Ende enttarnt ist, und in einem langen Filmkuss versinken Betrüger und Betrogene.
Grell geschminkt sind die Schauspieler, die Frauen mit hoch aufgetürmten Perücken und bauschigen Kleidern, die Männer mit Schnauz- oder Backenbart und Gehrock. Fritschs Handschrift ist unverkennbar – die Wilhelm Busch-Ästhetik, die eckig-outrierten Bewegungen wie von Spieluhrfiguren, die in Tics ausbrechenden Psycho-Mechanismen. Die Bühne, bedeckt von einem riesigen Teppich, der im Hintergrund wallartige Falten aufwirft, ist ein riesiger Spielplatz. Mit endloser Akrobatik gewinnen die Schauspieler das Publikum: Wolfram Koch, ein virtuoser Komödiant, katapultiert sich bei seinem ersten Auftritt per Trampolin über den Teppichwall, nutzt das zweite, in den Boden eingelassene Trampolin, um sich bäuchlings über die kleinere Teppichfalte zu werfen und an die Rampe zu schlittern. Ausgelassenes Gelächter begleitet seine Jonglage mit den Aktenordnern, die belastendes Beweismaterial enthalten. Hysterisch wird das Lachen, als die kleinwüchsige ChrisTine Urspruch, bekannt als Gerichtsmedizinerin des Münsteraner Tatorts, sich ohne Unterlass bemüht, den Teppichwall zu überwinden – und immer wieder abrutscht.
Mit wiederholter Vergeblichkeit, mit der Klamottenkomik einer fallsüchtigen Personnage und mit Wortwitzen wie ejakulieren statt eruieren bestreitet Fritsch eine wirklich lustige Komödie. Für einen Abend ist das wunderbar. Aber missen möchte man das konzeptuelle, diskurslastige Regietheater, zu dem Fritsch einen Gegenschauplatz eröffnet, trotzdem nicht.