Foto: Das versteht nur Köln: "Die fünfte Jahreszeit" Ein Abend von und mit Rainald Grebe und vielen Jecken © Thomas Aurin
Text:Stefan Keim, am 23. März 2014
Ja, ist denn schon wieder Karneval? Im Schauspiel Köln schon, dort hatte „Die fünfte Jahreszeit“ Premiere, eine Revue des Liedermachers und Theaterregisseurs Rainald Grebe über den Karneval. Mit Schauspielern und einem Jeckenchor aus Migranten. Karneval heißt Verkleiden. Ein Schauspieler kommt als Grillhähnchen, ein anderer als Lieutenant vom Raumschiff Enterprise. Rainald Grebe hat sich eine historische Gestalt ausgesucht, seinen Namensvetter Rainald von Dasseln. „Vor 850 Jahren stand ich höchst selbst in Mailand vor drei wertlosen Skeletten und habe mir damals schon gedacht: Aus diesen drei Gebeinen, da lässt sich doch was machen, und so war’s dann auch.“
Er klaute die Knochen, behauptete, sie gehörten den heiligen drei Königen und brachte sie nach Köln. Durch die Pilgerströme wurde das Dorf am Rhein zur Metropole. So die Lesart der Stadtgeschichte durch den Kabarettisten und Liedermacher Rainald Grebe. Neben seinen Konzerttourneen, bei denen er große Hallen füllt, hat Grebe eine eigene Art Musiktheater entwickelt. Er stellt nicht einfach Lieder und Szenen zusammen, sondern recherchiert in der Stadt und bringt Leute auf die Bühne, die mit dem jeweiligen Thema zu tun haben. Diesmal ist es ein Chor aus Jecken mit Migrationshintergrund. Das erste türkische Funkenmariechen Kölns zum Beispiel oder eine junge Frau aus Israel, die von ihrer ersten Karnevalsveranstaltung geflohen ist, weil sie die Armbewegungen beim „Kölle, alaaf“ an den Hitlergruß erinnerten. „Die fünfte Jahreszeit“ ist eine Revue voller Brüche. Es gibt wunderschöne melancholische Momente wie einen klassischen Tanz zum Lied „Es war einmal ein treuer Husar“. Der Bericht eines Rettungssanitäters über seine Karnevalseinsätze gibt Einblicke in die Realität. Dazu kommen hinreißend bekloppte Szenen, in denen die aufgedrehten Schauspieler von einem Kostüm ins andere springen – vom Ei-Pad zur Knalltüte – oder ein Männerballett in quietschgrünen Bodysuits aufführen. Grandios ist Benjamin Höppner als büttenredender Marsianer in Fantasiesprache mit kölscher Übertitelung. Aber auch die anderen haben Paradeauftritte. Und natürlich singt Rainald Grebe selbst, zum Beispiel das Lied über seinen Heimatort an der Kölner Peripherie.
Zweieinviertel Stunden ohne Pause dauert die Show. Auch wenn es einige gewollte Katzenjammerlängen gibt, ist keine Minute zu viel. Es geht um den Rausch und die Abstürze, das Faszinierende und das Ekelhafte am Karneval. Der Chor aus Migrantenjecken ist grandios, ebenso das Ensemble. Ein kraftvoller, vielschichtiger, bissiger und enorm unterhaltender Theaterabend.