Stephanie van Batum übersetzt die Dressur der Kendi in einprägsame groteske Bilder in einem Raum mit dem Ambiente eines Filmstudios (Video/Bühne: Florian Schaumberger). Links und rechts sitzen Techniker an ihren Apparaten, dazwischen wuseln Janosch Fries etwa als Choreograf herum und Michael Schröder zumeist als kommentierender Entertainer, dem immer eine „Story“ wichtig ist. Durch das Halbdunkel huschen viele Schatten über die Bühne, die beherrscht wird von zwei Leinwänden an den Seiten und von einer fast dreieckigen erhöhten Spielfläche, eingerahmt von zwei im Winkel zueinanderstehenden Screens: Das ist die eigentliche Aktionsfläche für Kendi. Hier muss sie mit großer blauer Perücke und rotem Plüschmantel posieren. Und wenn sie das tut, dann fordert der Entertainer, der einen schon zu Beginn im Foyer damit vertraut gemacht hat, das Publikum auf, die Handys zu zücken und ein Foto für Instagram zu machen, schließlich werde es am Ende, so die anfängliche Ankündigung, für das beste Foto einen Preis geben.
Was die Inszenierung eindrücklich beschreibt, ist die Sexualisierung von Körpern. Hierfür findet die Regie genaue Bilder, wie in dem Spiel mit einem Lolli, der immer größere Ausmaße annimmt, bis eine Polestange daraus geworden ist, an der Kendi nach einem Training lasziv turnen darf. Auch die Entscheidung, die Personen außerhalb des Film-Settings auf den beiden Leinwänden rechts und links agieren zu lassen, zeigt Wirkung, weil damit deren manipulative Charaktermasken deutlich herausgehoben werden.
Besonders beeindruckend agiert Simone Oswald als ehrgeizige Mutter, die unerschütterlich an der Karriere ihrer Tochter festhält. Auch David Benito Garcia überzeugt in den Videos in seinen verschiedenen Masken unter anderem als Voice Trainer, Stylist oder Schönheitsoperateur („Jede Patientin wird zur Wiederholungstäterin.“). Dass auch Kendi selbst immer wieder auf diesen Videowänden eingeblendet wird, um zu kommentieren, was da gerade mit ihr geschieht, ist gelungen, warum aber auch Janosch Fries und Michael Schröder auf dieser Ebene agieren, ist mir dramaturgisch nicht aufgegangen. Interessanterweise wirkt diese Ebene in der Inszenierung stärker als das, was auf der Bühne stattfindet, intensiviert noch durch die Videoclips von Florian Schaumberger, der die Ästhetik von Musikvideoclips nutzt, die ihr kritisches Potenzial der dekorativen Schönheit opfern.
Das ist letztlich die Krux der Inszenierung: Sie arbeitet sorgfältig die Mechanismen dieses Gewerbes heraus, aber gleichzeitig vermitteln die Bilder die Faszination, die von diesen Medien ausgeht, verstärkt noch dadurch, dass Kendi ausschließlich als Manipulationsobjekt ihrer Mutter und der vertretenen Erwachsenenwelt vorgeführt wird. Kendi identifiziert sich damit dermaßen, dass sie kein Eigenleben entwickeln kann.
In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts gab es am gleichen Haus, das damals allerdings noch Theater der Jugend hieß, „Bravo Girl“ von Werner Geifrig, ein Stück, das sich mit der Manipulation von Jugendlichen durch die bekannte Jugendzeitschrift auseinandersetzte. Deren Heldin, Inge, landet am Ende wieder an ihrem Arbeitsplatz und ruft nun zur gewerkschaftlichen Organisierung auf. Ein typischer gesellschaftlicher Vorgang in der damaligen Zeit im aufklärerischen Theater. Heute ist ein solcher Aufruf nur noch naiv. Aber was will Kendi mit ihrer Selbstverstümmelung erreichen? Will sie etwas verändern? Welche Perspektiven tun sich jenseits der Welt des schönen Scheins auf?