Text:Hans-Christoph Zimmermann, am 26. März 2012
„Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ – Brecht berühmter Satz aus der „Dreigroschenoper“ war immer schon mehr intellektueller Hutschmuck als griffige Handlungsanweisung. Nun macht das Theater Oberhausen endlich einmal die Probe aufs Exempel. Zusammen mit dem Künstlerkollektiv geheimagentur gründete es die Schwarzbank, die die neue Währung „Kohle“ in Umlauf bringt.
Was nach ökonomistischer Spaßaktion klingt, hat eine ernsten Hintergrund. In Deutschland existieren derzeit rund dreißig Komplementärwährungen von Bremen bis Bayern, die neben dem Euro als Zahlungsmittel in einer begrenzten Region oder Kommune gültig sind. Das Wachstums- und Wettbewerbsparadigma des gegenwärtigen Wirtschaftssystems führt zu Verwerfungen, die gerade in entwicklungsschwachen Regionen verheerend wirken. Das Ruhrgebiet mit seinen hoch verschuldeten Kommunen ist eine solche Region, das haben vier Oberbürgermeister mit ihrem Verbalprügeln für den Soli gerade ziemlich populistisch nochmals deutlich gemacht. Die begrenzte Gültigkeit der Komplementärwährung kann hier ein Mittel sein, zumindest den Kapitalabfluss zu stoppen und den regionalen Wirtschaftskreislauf zu beleben. Das große Vorbild ist die Palma-Währung und die Banco Palmas in dem brasilianischen Ort Fortaleza, mit der auch die geheimagentur kooperiert.
Zum Auftakt im Theater Oberhausen wurde die Währung ausgegeben (die Ein-, Fünf- und Zehn-Kohle-Scheine ziert das Konterfei von Christoph Schlingensief). In Form von Werbepausen bekam der Zuschauer einen Einblick in die Liste der Einzelhändler, die sich an dem zweiwöchigen Versuch beteiligen und die neue Währung akzeptieren: Vom Yogastudio über den Teeladen bis zum Rechtsanwalt reicht die Palette. Zwei Abgesandte der brasilianischen Banco Palmas gaben genauso Auskunft wie der Oberhausener Kämmerer und Kulturdezernent Apostolos Tsalastras. Danach fiel das pekuniäre Manna quasi vom Himmel, wenn es auch nur der Theaterhimmel war und das Publikum konnte erste Proben auf die Zahlungsfähigkeit der neuen „Kohle“ machen. Zwei Bankfilialen bringen die Währung unters Volk, nach zwei Wochen soll abgerechnet und eine Bilanz vorgelegt werden und die dürfte sicherlich anders ausfallen als die der Deutschen Bank. Wir bleiben dran.
Performative Bilanzkonferenz nach zwei Wochen im Theater Oberhausen also: Insgesamt wurden 500 Mikrokredite vergeben für Tätigkeiten, die ansonsten nicht bezahlt werden – so hat eine Lehrerin einen Stunde aus Marx’ Kapital vor gelesen, eine junge Frau hat im Kaisergarten Müll entsorgt und in einer der zwei Schwarzbank-Filialen gearbeitet, ein kleiner Junge hat seine Mutter einen Tag lang verwöhnt oder es wurden Schultermassagen verabreicht. Wieviel Kohle letztlich ausgegeben und umgesetzt wurde, blieb allerdings ein Geheimnis. Es ging den Teilnehmern eher um den symbolischen Mehrwert. Die geheimagentur sprach denn auch von Oberhausen als „Zone der solidarischen Ökonomie“. Noch war die Oberhausener Komplementärwährung wirtschaftlich zu wenig bissfest, ähnelte eher einer sozial-ökonomischen Plastik. Das zeigte auch die Kritik von Teilnehmern, die forderten, mehr Waren des alltäglichen Bedarfs in den Kohlekreislauf einzuführen. Nichtsdestotrotz waren Einzelhändler und Institutionen (aus durchaus unterschiedlichen Motiven) angetan von der Aktion: Ein italienischer Feinkosthändler versprach, weiterhin Espresso und 100 Gramm Mortadella gegen Kohle anzubieten; auch die Caritas will sich weiter daran beteiligen. Und selbst Oberhausens Kämmerer Apostolos Tsalastras plädierte per Videobotschaft für eine Fortführung des Projekts und lud für den 19. April zur gemeinsamen Diskussion ein.