Foto: Nein zum Geld oder vielleicht doch lieber Ja? Das diskutieren in Stuttgart Ralf Stech, Ruth Macke, Oliver Jaksch und Alina Rank. © Tobias Metz
Text:Adrienne Braun, am 26. Oktober 2019
Es hätte ein netter Abend werden können. Das Ehepaar Carré hat eingeladen. Das Baby ist im Bett, der Braten im Ofen, die Stimmung aufgekratzt – bis Richard seiner Frau, der Mutter und dem besten Freund das Unfassbare verkündet: Er hat im Lotto gewonnen, will das Geld aber nicht. 162 Millionen Euro, die er einfach nicht abgeholt hat. „Uns geht’s so gut – wir brauchen dieses Geld nicht.“
Eine kühne Idee, aus der die französische Autorin Flavia Coste ein Stück gestrickt hat. Vor zwei Jahren wurde „Nein zum Geld!“ in Paris uraufgeführt. Nach der deutschen Erstaufführung im Frühjahr am Berliner Renaissance Theater hat sich nun auch das Alte Schauspielhaus die Komödie vorgenommen, in der sich Richard zum Robin Hood aufschwingt, zum Retter der Menschheit, wie seine Frau schimpft und zetert. Denn sie ist es, die bisher das Geld nach Hause bringt. Deshalb wüsste sie, was tun mit diesem „ganzen Batzen“ – wie auch Etienne, der den Träumer Richard seit Jahren im gemeinsamen Architekturbüro durchfüttert. „Geld macht nicht glücklich“, insistiert Richard – „es hilft aber dabei, du Idiot.“
In einem ansprechenden holzgetäfelten Raum mit leeren Regalen (Ausstattung: Philipp Nicolai) liefern sich die vier Akteure einen Schlagabtausch. „Nein zum Geld!“ ist ein klassisches Konversationsstück mit überschaubarer Handlung, das vor allem von der Idee lebt, dass einer tatsächlich auf so viel Geld verzichten würde. Der Autorin glücken vereinzelte Passagen. Amüsant sind die immer neuen Bündnisse, die die Figuren schmieden, die verschiedenen Strategien, derer sich Frau, Mutter und Freund bedienen, um Richard weich zu klopfen, damit er den Lottogewinn doch noch schnell vor Ablauf der Frist abholen möge. Eine große, brillante Komödie ist „Nein zum Geld!“ aber nicht, dazu haben die Dialoge zu wenig Zündstoff und warten mit allerhand Allgemeinplätzen auf.
Die Regisseurin Schirin Khodadadian wollte das Stöffchen dagegen für den ganz großen Wurf nutzen. Man ahnt, dass ihr eine überdrehte Groteske mit skurrilen Typen vorschwebte, weshalb die Frau Mama (Ruth Macke) wie ein sexbesessener Vamp über die Bühne stakst. Allerdings entwickelt Schirin Khodadadian immer wieder Ideen, deren Sinn sich nicht recht erschließt. So legen die Schauspieler zu Beginn langatmig dünne Dielen auf dem Boden aus. Sie klettern an den leeren Regalbrettern hinauf, rollen sich in den Fensterausschnitt hinein oder robben durch ihn hindurch. Vor allem steigen die Figuren immer wieder aus der Handlung aus und singen Pophits und Chansons rund ums Geld – „Money“, frei nach Boney M.s „Sunny“ oder Aloe Blaccs „I need a dollar“.
Das Stück mag als konzentriertes Kammerspiel taugen, aber letztlich besitzt es nicht ausreichend Substanz für die erhoffte rasante Komödie, so dass der Abend überinszeniert wirkt. Jede Geste, jeder Blick ist gewissenhaft und höchst präzise einstudiert. Die Regisseurin kennt die Kniffs und Tricks aus dem großen Lehrbuch der Komödie – aber die Inszenierung wirkt dadurch eher schwerfällig als leicht. Erst gegen Ende steigert sie sich, als die drei beschließen, sich diesen schönen Packen Geld nicht entgehen zu lassen, koste es, was es wolle.
Richard hatte schon recht mit seiner Vermutung: „Für Geld sind die Leute heute zu allem bereit.“ Obwohl sich Ralf Stech verletzt hat und seinen Richard im Rollstuhl spielen muss, bewältigt er die Rolle bestens. Amüsant ist Oliver Jaksch als Richards knuffiger Freund und Chef, während Alina Rank die Ehefrau sehr cool und taff spielt. Großer Einsatz eines professionellen Teams – und am Ende die schlichte Botschaft: „Hat man das Geld erst mal genommen, kann man nicht mehr nachdenken.“