Foto: Richard Strauss' "Friedenstag" am Pfalztheater Kaiserslautern. Maria Lobanova, Karsten Mewes © Jörg Heieck
Text:Konstanze Führlbeck, am 29. September 2014
Richard Strauss Friedenstag Pfalztheater Kaiserlautern Kerstin Maria Pöhler Uwe Sandner DIE DEUTSCHE BÜHNE Konstanze Führlbeck
Tragisch, heroisch, human – mit diesen Schlagworten des ursprünglich vorgesehenen jüdischen Librettisten Stefan Zweig kann man Richard Strauss‘ Oper „Friedenstag“ etikettieren, die das Pfalztheater Kaiserslautern zum 150. Geburtstag des Komponisten am Samstag in einer Neuinszenierung von Kerstin Maria Pöhler zeigte. Doch passen diese Zuweisungen wirklich? Diese Frage stellt sich auch Regisseurin Pöhler, die das auf den ersten Blick spröde anmutende Werk, das 1648 kurz vor Ende des 30-jährigen Krieges verortet ist, zusammen mit Bühnen- und Kostümbildner Herbert Murauer in einer zeitlosen beziehungsweise zeitenthobenen Stadt im Belagerungszustand angesiedelt hat.
Grau und trostlos ist alles hier; Bewohner und Verteidiger können nur noch zäh ausharren und warten – warten auf das Ende. Das aber kann sich der Kommandant der Festung (Karsten Mewes) nur als einen heroischen Akt des kollektiven Freitods mit den verbliebenen Verteidigern vorstellen: Er weiß, dass er die Stadt nicht länger halten kann und will alle gehen lassen, die sich dem Feind ergeben wollen; er selbst will sich mit der Festung in die Luft sprengen, getreu seinem Eid auf Kaiser und Fahne. Für die hungernden Einwohner ist das Ende dagegen die Übergabe an die Belagerer. Düster-dräuende Orchesterklänge, plastisch und farbenreich interpretiert vom Pfalzorchester unter Leitung von Uwe Sandner, greifen die albtraumhafte Tonsprache von Elektra auf; melodische Wärme in der rohen Welt der Soldateska steuern nur ein junger italienischer Bote und Maria (Maria Lobanova) bei, die Frau des Kommandanten, die seine Absicht errät und in einer Todeshochzeit mit ihm zu sterben bereit ist. Sie wird auch zur Vermittlerin zwischen ihrem Mann und dem gegnerischen Kommandanten, dem Holsteiner (Wieland Satter), als ihr Mann die Nachricht vom Frieden gar nicht glauben kann. Auch Regisseurin Pöhler zeigt sich der an Fidelio erinnernden messianischen Euphorie der C-Dur Hymne am Schluss der Oper gegenüber skeptisch: Die Ambivalenz dieses Endes, die in der Rezeption des 1938 am Vorabend des Zweiten Weltkrieges in München uraufgeführten Werkes und seiner Vereinnahmung durch die nationalsozialistische Propaganda eine Parallele fand, betont sie durch die Inszenierung einer schillernden Politshow mit Reportern und Beratern wie durch eine weitere Besonderheit der Kaiserslauterer Produktion: Zu den Klängen von Richard Strauss‘ Studie „Metamorphosen“, 1945-46 unter den Eindrücken der materiellen wie ideellen Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges komponiert, zerbröckelt das Bild des Friedens wieder: Desillusioniert nehmen die Mitglieder des Chores in einer Leinwandinstallation einer nach dem anderen langsam die weißen Friedensbinden vom Arm und verschwinden im Dunkel, gefangen im Albtraum des Krieges, der sie verschlingt – ein Bild voll beklemmender Aktualität. Zurück bleibt nur Maria, vor deren Augen sich diese Prozesse abgespielt haben – real oder visionär?
Auch diese Frage lässt Kerstin Maria Pöhlers intelligente, reflektierte Inszenierung offen, die durch ein stimmiges Gesamtkonzert und eine psychologisch durchdachte Personenführung sowohl der engagiert agierenden Hauptdarsteller wie auch des individuell gezeichneten Chores überzeugt und zutiefst berührt. Musikalisch ist diese Produktion des Pfalztheaters ebenfalls ein Glanzlicht: Karsten Mewes gestaltet den Kommandanten, der sich in auswegloser Lage unbeirrbar an seine Prinzipien hält und kaum noch aus dieser Erstarrung ausbrechen kann, mit kraftvollem und doch nuanciertem Bariton; Maria Lobanova als seine Frau Maria ist mit ihrem wundervoll aufblühenden jugendlich-dramatischen Sopran trotz einiger Schärfen die Lichtgestalt des Abends. Als Protagonist tritt auch der Chor des Pfalztheaters in Erscheinung und rundet zusammen mit einem stimmigen Ensemble einen zutiefst bewegenden Theaterabend ab.