Das erfolgreiche Miller-Drama, das es aber nie in die Liga von „Tod eines Handlungsreisenden“ oder „Hexenjagd“ geschafft hat, ist als Spiegelung der heutigen US-Gesellschaft der Abgehängten denn doch etwas überfordert. Schon im Original verbinden sich Gesellschaftskritik und Psychoanalyse zu einer Knetmasse für Kolportage-Wendungen, denn im harten Kern der flott pointierten, immer noch energiegeladenen Dialoge geht es weniger um Migration als um Eifersucht. In Petra Wüllenwebers aktualisierender Fürther Inszenierung, irgendwo in einer abstrakten Theater-Gegenwart verankert, wird das gar nicht geleugnet. Wo sie „hochgezogene Zäune“ und „das bauen von Mauern“ ins Gespräch bringt, mit Worten wie „alternativlos“ oder „Kopftuch“ oder „Respekt“ blinkt, deutet sie Richtungen an, in die dann doch niemand abbiegen will. Matthias Werners Bühne besteht aus einem mächtigen leeren Stahl-Container für den Hintergrund, der viele Jalousien hat und nur drei Pappkarton-Boxen als eisiges Mobiliar der Trostlosigkeit. Davor, auf dem gedeckelten Orchestergraben, ist weite Deklamations- und Tanzfläche, wo der munterste Migrant namens Rodolpho (Matthias Kelle, eindeutig eher Pop als Puccini) zum Einstand einen Videoclip von Prince imitiert. Gesungen und gesprungen wird danach noch öfter, auch im Travestie-Duo nach Traumkino-Modell und bei der geselligen Heimweh-Anarchie des „Bella ciao-ciao-ciao“ – der unterschobene Musical-Tonfall verstärkt die Verfremdung der vorgeführten Realität von gestern im Zeugenschutzprogramm von heute. Gekonnt ist das schon, sinnvoll nicht.
Andererseits bringt Petra Wüllenweber gegen die eigene Schlachtordnung von Charakterköpfen aus dem Kühlfach denkbar hitzigstes Wortgefecht in Stellung. Das beginnt bei spielerisch albernder Komik (wenn die beiden Migranten mit ihrem Müllsack-Gepäck ankommend im Parkett den Notlichtknopf für ein Klingelschild halten und sagen „Hier wohnt Familie Panikbeleuchtung“) und endet in brüllenden Emotionen, mit denen Hartmut Volle den eifersüchtigen Denunzianten in nahezu jedem Auftritt sprachkunstvoll explodieren lässt. Sara Tamburini als Nichte, das Objekt der Begierde, trägt den aufreizenden Minirock und ein ähnlich viel enthüllendes Selbstbewusstsein passend zu den ersten Emanzipations-Ahnungen. Ihre duldsame Tante (Sabine Werner wie ein Engel der Vernunft zwischen den Fronten) und der Zweit-Cousin mit der daheim wartenden Familie (Sebastian König, fast zu lieb für den Rachemord) runden ein gediegenes Ensemble ab.
Wenn der finale Rache-Schuss gefallen ist und der nochmal herbeigeeilte Anwalt mit kreidiger Stimme die Gewalt dennoch in die Schranken weist, dürften die Zuschauer ihre Erschütterung im Griff haben. Zur Migrations-Debatte von heute hat Arthur Millers „Blick von der Brücke“ allenfalls Randnotizen beizusteuern – also kein Grund zur Aufregung.