Beim Einlass des Publikums tönen Stunden- und Kirchenglocken. In einem weiß gekachelten Rahmen vor einer großen weißen Papierwand stehen am linken Rand zwei Wesen aneinander gekuschelt, in roten Overalls mit Riesenkapuzen über den Kopf, die die Gesichter verschwinden lassen. Ritualhaft beginnen sie sich zu bewegen, eine hält dabei eine schwarze Urne in der Hand: ein feierlicher Beerdigungszug. Was dann beginnt, ist eine Beschwörung, die den Sprachweisen österreichischer Politiker von Strache bis Kurz und Autoren von Thomas Bernhard, der einzige Tote in diesen Reihen, bis Peter Handke entsprechend Tötungsarten vorgeschlagen werden. Saba Hosseini und Marie Schwanitz steigern sich in Ekstase. Schließlich lösen sie Ärmel von ihren Overalls, legen nach und nach das ganze Kostüm ab, stehen in Unterkleidung dar. Sie reißen die Papierwand ein: eine gegenüber dem Rahmen tiefer liegende Spielfläche kommt zum Vorschein.
Kreuzigung und Hüpfburg
Lydia Haider strukturiert ihren Text nach der Kreuzigungsgeschichte von Jesus Christus in vierzehn Runden. Glen Hawkins übernimmt diese Runden, nennt sie „Runs“. They reduziert den bei Haider stark ausgeprägten Bezug auf die Vorgänge um die Kreuzigung von Jesus, behält aber den Gestus ritueller religiöser Handlungen bei. Jeder „Run“ wird vom Drücken eines Alarmknopfes eingeleitet, der ein blendendes, grelles Licht aufblitzen lässt. Hawkins füttert die Runden, in denen sich die beiden Spielerinnen mit der Frage auseinandersetzen: „Wie bringt man die Sprache um?“ mit bildhaftem Material. Da hetzen Saba Hosseini und Marie Schwanitz um die Schläuche einer Hüpfburg herum, die dann aufgeblasen wird und die Spielerinnen darin hüpfen. Gegen Ende legen sie überdimensionale Boxhandschuhe an und gehen in einen Kampf hinein. Aber dann sinkt die Hüpfburg in sich zusammen und begräbt – für einen Moment – die Spielerinnen unter sich.
Das Bühnenbild von Kanade Hamawaki überzeugt. Eine große Stärke in dieser Inszenierung ist das Sounddesign von Constantin Rinke, die mit liturgischen Anklängen ebenso arbeitet wie mit Anspielungen auf klassische und Popmusik. Er unterstützt entscheidend die Stimmungen der Szenen. Während Saba Hosseini eher den weicheren Part in diesem Spiel übernimmt, setzt Marie Schwanitz aggressive Untertöne. Beide überzeugen in ihrem Zusammenspiel. Ein spannender Theaterabend, der das Publikum grübeln lässt, ob Sprache mit Sprache abgeschafft werden kann.