Schauspiel Stuttgart Juices

Schöne Plastikwelt

Ewe Benbenek: Juices

Theater:Schauspiel Stuttgart, Premiere:23.01.2025Regie:Florian Huber

In einer Plastikwelt inszeniert Florian Huber „Juices“ von Ewe Benbenek. Basierend auf der eigenen Erfahrungen der Autorin wird eine Geschichte über Einwanderung, Scham und die Bedrohung des sozialen Absturzes erzählt.

„Juices“ ist ein Stück, das viele betrifft. Die in Polen geborene Autorin Ewe Benbenek verarbeitet in ihrem Stück eigene Erfahrungen. Als zweite Generation von Einwanderern zeigt sie die Scham, wie ihre Mutter als Putzfrau gedemütigt wurde – und darüber hinaus die Unsicherheit, die diese Scham auslöst mit der ständigen Bedrohung, selbst sozial abzustürzen. Benbenek macht es raffiniert, sie lässt die Geschichte langsam anlaufen, chorisch, bis sie dann zum eigentlichen Kern vorstößt. Analytisch und anklagend zugleich, bis hin zu einem kleinen Geschichtsexkurs, wie Menschen in die BRD geholt werden, um Arbeiten zu verrichten, für die sich Deutsche zu qualifiziert fühlen.

Der Text ist ästhetisch raffiniert, erzählt wird kein individuelles Schicksal, sondern eine gemeinsame Erfahrung: Drei Schauspieler:innen machen sich als A,B und C auf eine Suche nach dem, was die Migration mit der Identität der Nachfolgegeneration macht. Handlungen und Haltungen realisieren sich im sprachlichen Medium, das poetisch verdichtet wie ein auf drei Stimmen verteilter Bewusstseinsstrom komponiert erscheint: Nach anfänglichem Abarbeiten an dem Buchstaben „A“, das in seiner Fabulierlust wie ein sprachliches Aufwärmen wirkt, entwickelt Benbenek ein starkes Erzähltempo.

Sprache und Künstlichkeit

Im Foyer des Kammertheaters vom Schauspiel Stuttgart setzt die Regie des jungen Florian Huber -seine erste Inszenierung in Stuttgart – einerseits auf die Sprache, andererseits auf Künstlichkeit, um jeglichen Naturalismus im Ansatz zu verhindern. Der Bühnenraum von Sabrina Heitzer wird nach hinten von weißen Plastikvorhängen abgeschlossen, auf dem Bühnenboden glänzen schwarze Plastikbahnen. Auf der linken Seite stehen und liegen weiße Plastiktonnen, aus einer tröpfelt eine zähe, helle Flüssigkeit, die, wenn beispielsweise Therese Dörr diese in die Hand nimmt Fäden zieht und an den Fingern kleben bleibt. In den Kostümen von Clara-Louisa Künne setzt sich diese Künstlichkeit mit knalligen Farben und Plastikclogs fort.

Juices Schauspiel Stuttgart

Trixi Strobel, Therese Dörr, Noah Ahmad Baraa Meskina. Foto: Björn Klein

Entspannt gehen die drei Darsteller:innen Therese Dörr, Noah Ahmad Baraa Meskina und Trixi Strobel an die Textflächen heran, nehmen lächelnd das „A“ in den Mund. Florian Huber gelingt es in seiner Regie, mit seinem Ensemble die Spiellust von Kindern produktiv zu machen, ohne sie nachzuäffen. Da reiten dann die Drei auf eine überdimensionierte Gummiente, ziehen alle drei ein langes, schmales Tuch über die Bühne aus, wird mit der zähen Flüssigkeit gespielt: Die selbstverliebte Selbstvergessenheit, die sich im Spiel des Ensembles zeigt, steht im Kontrast zur Künstlichkeit des Raums mit seiner klinischen Plastikwelt. Unterstützt durch die Sounds von Sebastian Specht erreicht dabei das Spiel von Therese Dörr, Noah Ahmad Baraa Meskina und Trixi Strobel eine Virtuosität, die auf das Spiel konzentriert, aber mehr und mehr vom Erzähltem ablenkt.