Im Zentrum steht Karl Roßmann, der von seinen Eltern nach Amerika verbannt wird, weil er ein Dienstmädchen geschwängert hat. In New York gelandet, trifft er auf seinen reichen Onkel Jakob (wunderbar aasig: Michael Stiller), der ihn aufnimmt. Als er aber gegen den Wunsch des Onkels eine Einladung annimmt, lässt auch dieser ihn verbannen. Er landet auf der Straße, lässt sich von den Landstreichern Delamarche (Marco Massafra) und Robinson (Peer Oscar Musinowski) ausnehmen. Er findet Unterkunft und einen Job als Liftboy, doch auch dort wird er wieder mit Schimpf und Schande entlassen, nachdem der betrunkene Robinson im Hotel aufgetaucht ist: Er will ihn als Diener bei Brunelda (Therese Dörr, die mit ihren Rollen spielerische Höhepunkte setzt) holen, der nächste Schritt in eine Demütigung, bis er sein Glück (?) im Naturtheater von Oklahoma findet.
Flüchtiges Glück, bleibendes Leid
Die großen Brüche zwischen (kurzem) Glücksgefühl und tiefen Demütigungen spielt David Müller naiv aus: er leidet nie wirklich, er schaut mit großen Augen staunend auf das, was mit ihm passiert. Alles ist neu für ihn, eine Vergangenheit hat er nicht (nicht einmal denkt er an sein Kind): Es gibt nur ein Vorwärts, so schlecht dieses auch ist, er nimmt es gleichmütig hin. Viktor Bodó unterstützt in seiner Regie das „Tumbhafte“ (Erinnerungen an „Parzival“ drängen sich auf) in der Figur des Roßmann, der von Station zu Station eilt, ohne Aussicht auf Erlösung. Müller ist auch der Einzige, der seine Rolle durchspielt: Im exzellenten Ensemble übernimmt jede*r mehrere Rollen.
Zita Schnábel hat ein langsam ansteigendes, weiß ausgeschlagenes Podestband geschaffen, eine Art Half-Pipe, dass für die einzelnen Bilder verändert werden kann: Mal schwingt es sich hinten in der Höhe, mal werden einzelne Podestsegmente hochgefahren. Auf einer bildschirmartigen Tafel werden Videos von Bors Ujvári und Nur Mohammed projiziert wie für den Blick aus dem Fenster in New York oder die Fahrt im Lift. Die Videos sind klug eingesetzt, wie auch die atmosphärische Musik von Klaus von Heydenaber, die wie im Film im Hintergrund läuft und sich doch ins Ohr einschmeichelt. Die Kostüme von Dóra Pattantyus verweisen auf die „goldenen Zwanziger“, die auch direkt zitiert werden, wenn das Frauenensemble im typischen Outfit eines Nightclubs der zwanziger Jahre mit „Bei mir bist du schön“ von den Andrew Sisters auftreten. Sie gibt den Figuren auch groteske Züge, wenn die Geschäftsleute Pollunder und Green in Fatsuits auftreten.
Tempi- und Bildkunst
Viktor Bodó setzt auf starke atmosphärische Bilder, die filmisch konzipiert sind. Zu Beginn wird der Start eines Büroalltags gezeigt, der in die Monotonie des Alltags umschlägt: einfach schöne Bilder. Ebenso beherrscht er die Kunst der Tempi: Was eben noch mit einer enervierenden Langsamkeit begann, nimmt blitzschnell Tempo auf. Immer wieder werden Stopps eingebaut, wenn der Erzähler (Simon Löcker) mit Originaltexten von Kafka auftritt. Über dem Ganzen schwebt Selbstironie, wenn es in der Aufführung einmal heißt: „wir vermischen poetischen Realismus und absurdes Theater in Ermangelung von etwas Besseren“. Mit einem starken Ensemble, zu dem neben den schon Genannten Teresa Annina Korfmacher (u.a. als sadistische Clara), Reinhard Mahlberg (u.a. als perfider Hotelportier), Marietta Meguid (u.a. als resolute Oberköchin) und Celina Rongen (Dienstmädchen) gehören, schafft Bodó einen bildkräftigen Abend zwischen Unterhaltung, Groteske und sozialer Erzählung.