Foto: Martina Struppek, Süheyla Ünlü und Lucas Janson in "Die lieben Eltern" am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken © Astrid Karger
Text:Björn Hayer, am 21. Januar 2024
Auch in dieser Familie bringt ein Lottogewinn das Schlimmste zum Vorschein: Die Eltern wollen ihren Gewinn spenden. Die drei Kinder sind mit ihrem Anteil nicht zufrieden. Die Inszenierung am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken bleibt jedoch zu vorhersehbar.
Hand aufs Herz: Was würden Sie mit sage und schreibe 150 Millionen Euro anstellen? Sich eine Villa oder gleich eine Insel, nein, vielleicht gar einen ganzen Staat kaufen? Ein Leben lang in allen Luxushotels, die Sie dann auch gleich erwerben können, um die Welt reisen? Nun, das Ehepaar Vincent (Bernd Geiling) und Jeanne (Martina Struppek) hat sich mit diesem Lottogewinn einen karitativen Zweck vorgenommen, indem es damit ein Waisenhaus in Kambodscha finanzieren will.
Was gut klingt, empfinden ihre erwachsenen Kinder Louise (Süheyla Ünlü), Jules (Silvio Kretschmer) und Pierre (Lucas Janson) hingegen bald schon als infam. Denn der ursprünglich Plan sah vor, dass die drei bei dem Geschäft leer ausgehen. Nach Protest machen die Eltern jedoch die Kehrtwende, allerdings mit Summen, die den Unzufriedenen, gemessen am Gesamtvolumen, noch immer nicht ausreichen. Einst glücklich, scheint die Familie nun zu zerbrechen, wie es Vincent und Jeanne bereits befürchtet hatten – an der Gier jedes Einzelnen.
Die drei Geschwister Jules, Louise und Perre sind unzufrieden mit der Entscheidung ihrer Eltern. Foto: Astrid Karger
Durchschaubare Komödie mit Slapstick
Zwar ist der Plot von „Die lieben Eltern / Cher Parents“ schnell erzählt, der Text von Armelle und Emmanuel Patron lässt sich hingegen viel Zeit (genauer gesagt: unermesslich viel Zeit), um die Konflikte geradezu breitzutreten. Besonders fällt dabei nicht zuletzt die Eindimensionalität der Figuren ins Gewicht, was sich auch an der deutschsprachigen Erstaufführung am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken offenbart.
Pierre, der egoistische Unternehmer, brüllt nur herum. Louise, die ewige Medizinstudentin, wirkt unsicher. Jules, der klägliche Literaturkritiker, gibt derweil das Muttersöhnchen. Und das in die Jahre gekommene Alt-68er-Paar bemüht sich unterdessen um gute Miene zum bösen Spiel. In jeder Szene kann man also absehen, was passiert und wer sich wie verhält.
Garniert wird der Zivilisationsbruch en miniature mit Slapstick. So äußert der Vater zuletzt, dass er einmal Lust habe, mit dem Flugzeug zum Supermarkt zu gelangen und sich Koks und Nutten zu besorgen. Auch nutzt einer der Darsteller einen der vielen auf der Bühne vorhandenen und für die brave Kleinbürgerexistenz stehenden Gartenzwerge, um mit ihm einen Plüschhasen bespringen – als Bild für den Alltagssex eines in die Jahre gekommenen Pärchens. Wie man sich vielleicht angesichts dieser Einfälle vorstellen kann, zündet also bei Weitem nicht jeder Knaller an diesem Abend.
Einst waren die fünf eine glückliche Familie, nun sind sie zerstritte. Foto: Astrid Karger
Einfallslose Regie in Saarbrücken
Dasselbe gilt für die wenigen Bilder der Regie unter Janis Knorr. Wenn er nicht Wunschzettel von der Decke regnen lässt, hält er das Ensemble zum Tauziehen am Gartenschlauch an, die Eltern auf der einen und die Kinder auf der anderen Seite. Als passend erweist sich eine solche Metapher für die intergenerationelle Auseinandersetzung allemal, als innovativ dagegen kaum.
Durchgängig zeigt sich indessen das Motiv des Hasen. Sowohl in Form kleiner Figuren als auch eines überdimensionalen Exemplars mit rot leuchtenden Augen kommt er vor. Steht er in diesem Stück nicht für Fruchtbarkeit, so könnte er als Jagdsymbol gedeutet werden, zumal die Kinder gewissermaßen auch um den Reichtum zu ringen beginnen.
Die Regie am Staatstheater Saarbrücken findet stimmige, aber wenig innovative Bilder. Foto: Astrid Karger
Theater der Ermüdung
Und das Bühnenbild? Dies repräsentiert die wohl geordnete bürgerliche Existenz: Wir schauen auf eine Hauswand mit grünen Drehtüren, die Fenster darstellen sollen. Davor ein netter Teppichrasen mit Stoffbaum an der Seite. Auch der Poll darf im Vordergrund nicht fehlen.
Auf den ersten Blick wirkt diese Kulisse eindrucksvoll. Sie spiegelt die dünne Zivilisationsdecke wieder, die – übrigens ähnlich zu Friedrich Dürrenmatts Rachedrama „Der Besuch der alten Dame“ – im Laufe des abends immer dünner wird. Zugleich mutet sie so unbeweglich wie die schon zu Beginn festgezurrten Charakterprofile an. Der Stillstand, gepaart mit mediokrem Humor und einer letzthin banalen kapitalismuskritischen Botschaft, dominiert die Premiere, die vor allem eines hervorruft: Ermüdung!