Szene aus "Don Juan"

Dein Körper gehört mir ...

nach Molière: Don Juan. Am Ende aller Tage

Theater:Schauspielhaus Bochum, Premiere:01.12.2023Regie:Mateusz StaniakMusikalische Leitung:George Dhauw

In den Bochumer Kammerspielen inszeniert Mateusz Staniak „Don Juan“ nach Molière. In seiner Inszenierung zeichnet er ein düsteres Bild einer begehrenden Gesellschaft, in der doch alle allein bleiben.

Dieser Don Juan glaubt weder an Gott noch an die Medizin, wie ihm sein Diener vorwirft. Weder an altgediente Mittel wie Brechwein noch an Psychopharmaka wie Diazepam oder Schmerzstiller wie Tilidin. Dabei sind Betäubungsmittel an diesem Abend absolut willkommen. Die anderen werfen sich Pillen ein, ständig qualmt mindestens eine Zigarette, Dosenbier fließt. Und Sex hilft auch gegen… ja, gegen was eigentlich?

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Molières Komödie aus dem 17. Jahrhundert wurde mit dem Vorwurf des Atheismus gescholten. Aber die Ablehnung des Glaubens schockt uns heute nicht mehr. Auf der Bochumer Bühne sind Partymenschen unterwegs, die ihr Glück im Rausch suchen. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Also herrscht nun Katerstimmung.

Eine Frau in silberglänzernder Kleidung drückt sich an eine Metallwand. Eine Person unter einem Schleier filmt sie.

Party und Verzweiflung wechseln sich in Bochum ab. Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz

 

Ein Ort für Verlorene in Bochum

Für Mateusz Staniaks Inszenierun von „Don Juan – Am Ende aller Tage“ hat Bühnenbildnerin Zaza Dupont einen Lost Place für die Bühne in den Bochumer Kammerspielen entworfen. Eine verlassene Betonbude mit Urinal. Ins Innere wird mit der Kamera geschaut, drumherum hat wohl der Wind Gestrüpp und Dreck verteilt. Der klebt den Leuten auf der nackten Haut, wenn sie übereinander herfallen.

Don Juan hat hier nicht Elvira aus dem Kloster ver- und entführt, sondern er schnappt sich Guzman, der gerade noch mit seinem Verlobten über richtiges und falsches Lieben diskutiert hat. Pierrot, der verlassene Verlobte, erschießt sich, was niemanden nachhaltig schockiert. Weiter geht’s mit der Selbstdarstellung – allen voran natürlich Don Juan. Dafür kommt Schauspieler Victor IJdens im knallgrünen Pelzmantel, weiß geschminkt, mit gelben Haaren und unzähligen Schlüsseln am Band über der weiten Hose (Kostüme: Kevin* Pieterse) mephistophelisch daher. Seine Freigeistigkeit, seine Unangepasstheit, seine Rücksichtslosigkeit hat aber immer auch etwas Verletzliches. In jedem großen Gebaren, in jedem breiten Grinsen scheint auch Schwäche durch.

Zwei Personen mit clownesk geschminkten Gesichter stehen sich auf der blau erleuchteten Bühen gegenüber, der eine singt in ein Mikro, der andere spielt Gitarre.

Dominik Dos-Reis und George Dhauw überzeugen auch musikalisch. Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz

 

Theater der Verführten

In Staniaks Inszenierung ist Don Juan nur ein Einzelkämpfer unter vielen und immer auch ein Opfer. Sein gnadenloser Vater (Michael Lippold) begegnet ihm mit diesen Worten: „Du schuldest mir einen Enkel. Dein Körper gehört mir, dein Sperma ist mein Sperma.“ Seine Begleiterin Sganarelle (Danai Chatzipetrou) versucht zwar, ihn von moralischen Werten zu überzeugen („Woran glaubst du eigentlich?“), geht dann aber doch lieber ans Mikro – nun im silbernen, bauchfreien Glitzeranzug –, um mit dem E-Gitarristen George Dhauw einen Song zu performen.

Und Guzman (Dominik Dos-Reis), der zuvor Verlobte, muss nicht lange von seiner neuen „Liebe“ überzeugt werden, im Gegenteil. Don Juans Maxime „Die ganze Wonne der Liebe liegt im Wechsel“ gilt auch für ihn. Es ist ein ziemliches trauriges Bild in unsere Gegenwart voller Egoist:innen, aufgepeppt (und überfrachtet) mit reichlich Körperschmuck und Videoscreen fürs Ich in Großaufnahme. – Der Mensch, ein Dauerverführter.

Don Juan zitiert am Ende Schopenhauer, bevor er den Höllen-Komtur küsst: „Mein Leib und mein Wille sind eins“. Der Philosoph hat das Unbewusste, das Irrationale als Lebensprinzip definiert. Don Juan gefällt das.