Vom Spiel zur Wut

Ceren Oran: Gute Wut

Theater:Schauburg München, Premiere:08.03.2025 (UA)Regie:Ceren Oran

Choreografin Ceren Oran macht an der Schauburg München mit „Gute Wut“ eine oft negativ empfundene Emotion zu etwas Positiven. Basierend auf Kinderspielen entwickeln sich symbolische Performances von Ausgrenzung zur Versöhnung.

„Gute Wut“ – das klingt nach einem Paradox: Kann Wut gut sein? Ja, sie kann, wie die Choreografin Ceren Oran in ihrer Produktion am Schauburg Labor nachdrücklich zeigt. Wie am Anfang die vier Performer:innen auf vier Holzkisten nebeneinander sitzen, aus einer Ruhe heraus sich zu kabbeln und zu schubsen beginnen, einer nach dem anderen von der Bank fällt, aus dem Spiel plötzlich ernst wird und mit einem Wutausbruch endet: das ist atemberaubend genau getimt, nicht nur in den Tempi und den Stopps in den Bewegungen, sondern auch im Aufbau der Emotionen.

Ceren Oran benutzt Kinderspiele, aus denen heraus sie ihre Choreografien entwickelt, wie beispielsweise eine Variation des Römerspiels: da wird Annelie Straub hin- und her gehetzt, immer rechtzeitig der Hocker vor ihr weggezogen, so dass am Ende sich ihr Körper vor Wut-Schmerz windet. Fast slapstickhafte Spiele entstehen, an der nicht nur die zuschauenden Kinder Spaß haben. Sie kippen dann jäh in krisenhaft zugespitzte Situationen um: Man hat als Publikum Mitleid mit diesen ausgegrenzten Kreaturen, um im nächsten Moment wieder befreit aufzulachen. Denn jede dieser Spielszenen endet mit einer Versöhnung, aber schon beginnt auf einer höheren Stufe wieder das Spiel der demütigenden Ausgrenzungen von vorne, bis es im Schrei eskaliert.

Minimalistisches Bühnenbild und exakte Bewegungen

David Campling, Janosch Fries, Lucia Schierenbeck und Annelie Straub entwickeln ein breites Bewegungsrepertoire. Akrobatische Einlagen wechseln mit genau gesetzten tänzerischen Bewegungen und Gesten. Bewundernswert, was Ceren Oran aus diesem Ensemble herausholt, denn die vier Darsteller:innen sind keine ausgebildeten Tänzer:innen, sondern Schaupieler:innen. In „Gute Wut“ – zu den rhythmischen Klängen von Gudrun Plaichinger – verschmelzen pantomimische und tänzerische Momente zu einer überzeugenden Einheit. Für das Spiel auf einer unten und oben von roten Leisten eingeschränkten Spielfläche – Ausstattung: Ragna Heiny – braucht es nur die vier Holzkisten, die u.a. als Sitzgelegenheit dienen, vier Bälle und roten Fäden, in denen sich gegen Ende die Spieler:innen verknoten oder abgrenzen – und sich wieder befreien können.

Schauburg München Gute Wut

Zwischen Sitzblöcken und in rot eingerahmter Bühne tanzt und sitzt das Ensemble der Schauburg München. Foto: Fabian Frinzel

In jeder Sequenz dieser Inszenierung spürt man die Begeisterung des Ensembles, die sich auf das junge und alte Publikum überträgt. Eine hohe Leichtigkeit flirrt über diese Aufführung: Das Team der Schauburg darf sich über eine rundum gelungene choreografische Arbeit freuen, die – unschwer zu prophezeien – sich lange auf den Spielplan halten wird.

Aber noch von einem anderen Wunder ist zu berichten: Mitten in allen finanziellen Kürzungen, die auch die Schauburg treffen, hat das Kulturreferat München dem Team eine zweite Spielstätte angeboten, das leerstehende „Festspielhaus“, einst Heizwerk, später Flüchtlingsheim, dann eine Stätte für semiprofessionelle Gruppen. Im Mai 2025 wird das Haus als „Schauburg Labor“ offiziell eröffnet, aber schon jetzt finden Workshops und andere theaterpädagogische Aktivitäten statt – die Schauburg verfügt mittlerweile über sechs festangestellte Theaterpädagog:innen  – und eine Inszenierung wie „Gute Wut“. In vielen verschiedenen Räumen können nun die unterschiedlichsten Aktivitäten stattfinden, experimentelle Aufführungen und auch freie Gruppen, die für ein junges Publikum spielen wollen, können hier, wie die Schauburg-Leiterin Andrea Gronemeyer berichtet, proben. Ein spannendes Konzept!