Foto: Marie Burchard und Sebastian Schwarz © Gianmarco Bressadola
Text:Anne Fritsch, am 13. März 2025
Marius von Mayenburg hat die Deutschsprachige Erstaufführung seines Stückes „Ex“ an der Berliner Schaubühne inszeniert. In dem konzentrierten Kammerspiel gerät der mühsam aufrecht erhaltene Alltag eines gut situierten Paares durch das unerwartete Auftauchen der Exfreundin in Schieflage. Die Situation eskaliert, Lebens- und Liebeslügen brechen auf – allerdings basiert all das auch auf einem etwas in die Jahre gekommenenen Frauenbild.
Sibylle und Daniel haben es sich hübsch eingerichtet in ihrem sex- und freudlosen Alltag, ihrer kleinen Hölle der Lieblosigkeit. Die cognacfarbene halbrunde Ledercouch, die Nina Wetzel als zentrales Element auf der Bühne platziert hat, dreht sich wie ihr Leben langsam im immer selben Kreis. Ihre Träume haben die beiden irgendwo unter Lasagne ohne Bechamelsauce und den elektrischen Dinos der Kinder begraben. Die elektronische Musik von Nils Ostendorf, die leise über allem liegt, könnte auch in einem Fahrstuhl laufen, hier wie dort um Panik zu vermeiden ob der Enge. Im Fahrstuhl der räumlichen, hier der seelischen. Daniel wollte eigentlich mal Städte der Zukunft entwerfen, nun zeichnet er als Architekt Fluchtpläne für Parkhäuser. Sibylle arbeitet seit Jahren als Ärztin am Krankenhaus, die Vorsilbe Ober- oder Chef- aber geht nur an die Kolleg:innen ohne Kinder.
Marius von Mayenburg zeichnet in seinem Stück „Ex“, dessen Deutschsprachige Erstaufführung er nun an der Berliner Schaubühne inszeniert hat, einen alltäglichen Ehewahnsinn. Sie wirft mit Gemeinheiten um sich, er hört längst nicht mehr hin. Die Blicke, die sie sich zuwerfen, sind nicht mehr erfüllt von Begehren und Liebe, sondern von latenter Verachtung, von Enttäuschung. Der oder die andere ist nicht, was er:sie sich erwartet und erträumt hat. Nicht ein Ideal, nicht besser als alle anderen, einfach nur gewöhnlich. Sie laden ihren Dreck beieinander ab und ahnen doch, dass eine Beziehung irgendwie mehr sein sollte als eine Müllhalde. Marie Burchard und Sebastian Schwarz beherrschen das Spiel der Blicke grandios. Wie sie ihn anblickt, während er lustlos in der aufgewärmten Lasagne rumstochert, die die Kinder übrig gelassen haben. Wie er sie nicht anschaut, sondern auf seinen Teller, sich von ihr abwendet.
Aggression und Resignation
Es bedarf eigentlich gar nicht vieler Worte, um zu spüren, dass hier einiges im Argen ist. In jedem Blick, in jeder Geste liegt eine Mischung aus Aggression und Resignation, aus Schmerz und Sehnsucht. Als Daniels Exfreundin Franziska erst anruft, dann als Übernachtungsgast auftaucht, weil sie sich von ihrem Freund getrennt hat, gerät das fragile Konstrukt aus den Fugen. Auf einmal sitzt sie leibhaftig auf dem Sofa, die andere Möglichkeit, das alternative Leben.
Mit Franziska stehen all die Fragen im Raum, die damals, als Daniel Franziska verließ und mit Sibylle neu anfing, nicht gestellt und erst recht nicht beantwortet wurden. Fragen nach Leidenschaft und Liebe, aber auch nach Zugehörigkeit. Ist Daniels Beziehung mit Franziska an ihrer Herkunft gescheitert? Daran, dass sie keine Akademikerin ist, sondern in einer Zoohandlung arbeitet? Als Sibylle spürt, dass zwischen Daniel und Franziska noch immer einiges an Gefühl vorhanden ist, haut sie Franziska in einem furiosen Verachtungs- und Erniedrigungsmonolog ihre bittere klasssistische Wahrheit um die Ohren: „Du bist ein lieber Mensch, und sicher das, was Männer sich gern anschauen – aber anhören? Nee, lieber nicht, und wie? Was? Heiraten? Bist du wahnsinnig geworden?“
Autopsie einer Paarbeziehung
Eva Meckbach sitzt am Rande, hört sich diese Niedermachung ihrer Person an. Sie hat nie eine Antwort auf die Frage bekommen, warum Daniel sie verlassen hat. Sie hat nie wieder so empfunden mit einem Mann. Ihren aktuellen Freund hat sie verlassen, weil sie nicht mag, wie er sie anfasst. Und Daniel? Der fühlt sich auf einem Gleis in die falsche Richtung in seinem Leben, seiner Ehe. Würde gerne an die Leidenschaft mit Franziska anknüpfen, einmal im Jahr in einem Hotel. Um den Rest des Jahres seine Ehe zu ertragen.
Was Marius von Mayenburg hier präzise wie ein Pathologe betreibt, ist nicht weniger als die Autopsie einer Paarbeziehung. Seine Figuren liefern sich temporeiche Schlagabtäusche und finden zielsicher die wunden Punkte des Gegenübers. Fragen nach Rollenverteilung, Vereinbarkeit von Beruf und Familie und der Überwindung von Klassengrenzen tauchen auf. Über zwei Stunden zieht sich das Ganze dennoch ein wenig. Auch, weil die Rollen eben doch vorhersehbar bleiben. Die Frauen, deren Glück komplett vom Mann abhängt und die darüber hinaus wenig eigene Visionen haben. Selbst die Entscheidung über einen Fortbestand der Ehe überlässt Sibylle schließlich ihrem Mann. Nicht nur Franziska ist hier eine Frau von Früher. Auch Sibylle verkörpert ein in die Jahre gekommenes Frauenbild. Schade.