Foto: „spinne” mit Caroline Peters © Gianmarco Bresadola
Text:Barbara Behrendt, am 21. Juni 2024
Wie diskutieren mit Menschen, die AFD wählen? Das beschäftigt Maja Zade in ihrem neuen Stück „spinne“ an der Berliner Schaubühne. Ein Monolog, gespielt von der vielfach ausgezeichneten Film- und Theaterschauspielerin Caroline Peters – der allerdings nicht weiterhilft.
Eine Küchenzeile, die Regale gefüllt mit billigem Toast und löslichem Kaffee. Davor ein einfacher Tisch, dahinter eine Kachelwand, auf der das Gesicht von Caroline Peters in Großformat projiziert wird. Sie spielt Julia, Mitte 40, und erinnert sich an eine Episode aus ihrer Kindheit. Mit ihrem Freund Kris buddelt sie im Sand: „Und eine Wurzel, ein Ästchen, ragte aus dem Sand, das Ästchen, der Zweig, bewegte sich, und auf einmal war klar, es ist kein Zweig, es ist ein riesiges, langes, braunes, haariges Bein, was auf einmal aus dem Sand emporkommt, dann ein weiteres, kürzeres, dann der dicke, haarige Körper einer riesigen dunkelbraunen Spinne. Es ist bis heute mit das Ekligste, was ich jemals gesehen habe.“
Es folgt: eine Mutprobe. Die Erinnerung verfolgt Julia bis heute. In Maja Zades neuem Stück wird sie zur aufgesetzten Grusel-Metapher für irrationale Ängste und Abscheu – auch vor dem Nazi-Erbe, den Antidemokraten.
Sie: unglücklich und sparsam, er: Anwalt im Designeranzug
Nach 30 Jahren Funkstille lauert Julia ihrem Kindheitsfreund Kris bei seinem Lieblingsluxusitaliener auf und trifft auf: einen AFD-Sympathisanten. Kris lebt wie Julia in Berlin. Sie hält sich mehr schlecht als recht als Übersetzerin über Wasser, lebt getrennt in einer eiskalten Wohnung, um Heizkosten zu sparen. Über ihr ihr Ex mit neuer Freundin. Glücklich ist sie nicht. Er ist ein reicher Anwalt im Designeranzug, mit verzogenem Teenager-Sohn und shoppingsüchtiger Ehefrau, die findet, Frau habe sich ausschließlich um die Kinder zu kümmern.
Sie giftet Julia sofort an, doch mit Kris gibt es zunächst eine alte Vertrautheit. Die kippt allerdings, als klar wird, dass Kris AFD-Mandanten vertritt: „Das Problem ist, sagt Kris, und ich höre an seinem gelassenen Ton, dass er das nicht zum ersten Mal sagt, dass das System missbraucht wird, die Reichen machen Politik für Reiche, die Linke ist bereits vor langer Zeit vor die Hunde gegangen, und die einzige Partei, die sich noch ansatzweise um das normale Volk kümmert, um Leute, die wenig oder moderat verdienen, ist die AFD.“
Es endet im Besäufnis, das Gespräch scheitert, Julia hat den schlechten Argumenten nur noch schlechtere entgegenzusetzen. Doch Caroline Peters glänzt. Mit Präzision und Beiläufigkeit wirft sie sich in diesen vierstimmigen Monolog, in aller Irritation und Wut. Sie kommentiert die Szenen jedoch auch. Das ist ungeheuer komisch, man hört und sieht Peters gern dabei zu, wie sie am Küchentisch sitzt, in T-Shirt und Shorts, sich ein Ei brät, sich in Rage redet.
Eine pointierte Kurzgeschichte
Zades Monolog liest sich allerdings mehr wie eine pointierte Kurzgeschichte. Wo das Theater den Vorteil hat, Geschichten aus unterschiedlichen Figuren-Perspektiven zu erzählen, ist man hier in Julias Sicht gefangen. Wir erfahren mehr über ihre Vorurteile als ihr Gegenüber kennenzulernen. Und als Regisseurin zeigt sich die Autorin wenig einfallsreich. Videos mit Schaben, Würmern, Spinnen flimmern äußerst plakativ über die Wand, es dröhnt dramatisch, dazu verzerrte Negativbilder von Demonstrationen und Bundestag.
Bei der Frage, wie man sich mit AFD-Wähler:innen auseinandersetzt, birgt der Text wenig Erkenntnisgewinn. Julia fehlen nicht nur die politischen Argumente, sie kommt schon bei der Ehefrau über sexistische Botox-Beschreibungen kaum hinaus: „Ihr Gesicht ist ausdruckslos, aber ihre Augen funkeln. Ich vermute, dass die Augen eine große Rolle spielen. Bei Gesichtern, die man nicht bewegen kann, müssen die Augen doppelt arbeiten.“
Wenig mehr als ein großes, ratloses Klischee-Bombardement. Allerdings in guter Gesellschaft der herausragenden Caroline Peters.