Foto: "Fever Room" an der Volksbühne Berlin © Kick the Machine Films
Text:Detlev Baur, am 8. Dezember 2017
Die Gegend um die Berliner Volksbühne herum hat sich in den vergangenen Jahren rasant verändert. Statt heruntergekommener oder leerstehender Läden finden sich da nun jede Menge vegane und/oder asiatische Cafés, ein Edel-Fitnessstudio und teure Möbelläden. Der Wechsel an der Volksbühne passt so gesehen blendend in die Stadt. Nun „führt“ (so das Theater) der preisgekrönte thailändische Filmregisseur Apichatpong Weerasethakul mit „Fever Room“, basierend auf seinem Film „Cemetry of Splendor“ „das Kino ins Theater“. Beim zweiten Aufführungstermin von dreien am ersten Tag versammelt sich auf den 50 Stühlen plus etwa 100 Kissenplätzen auf der eigentlichen Volksbühnen-Bühne tatsächlich ein ziemlich internationales (wenn auch kaum asiatisches) Publikum zur 90-minütigen Vorstellung. Sie ist damit ungleich kürzer als alles, was Frank Castorf (im „Idiot“ zum großen Teil auch mit Publikum auf der Bühne) hier je zeigte.
Im wunderbaren, geist- wie geisterreichen und thailändisch entspannten Film „Cemetry of Splendor“ bevölkern von Schlafkrankheit übermannte Soldaten ein Krankenhaus, das zuvor eine Schule der Protagonistin, der ehrenamtlichen Betreuerin eines dieser kranken Soldaten, war. Die Schule und damit das Krankenhaus befinden sich über einem alten, mythischen Friedhof. Ob nun die in ihrem Realismus leicht ins Surreale kippenden Bilder und Gespräche Traumbilder der ermatteten Betreuerin oder Träume ihres immer wieder in den Schlaf verfallenden Soldaten sind oder schlicht ein Strang der Handlung, bleibt im Vagen. Eine (zurückhaltende) Prise Gesellschaftskritik zeichnet den Film aus, am Deutlichsten vielleicht im grandiosen Schlussbild, wenn Jugendliche auf einem zum Baugrund teilweise umgepflügten Fußballplatz – die Regierung verfolgt hier angeblich ein dubioses Bauprojekt – sich von den Erdhügeln in ihrem Spiel nicht aufhalten lassen.
Die „Theaterfassung“ von Weerasethakul, die vor einiger Zeit bereits beim Steirischen Herbst in Graz zu sehen war, abstrahiert nun das so übersichtliche wie verworrene Geschehen des Films weiter. Auf zunächst einer Leinwand sehen wir Pflanzen, Tiere, dass Meer, den Mekong-Fluss, Kranke (in einem größeren, moderneren Krankenhaus) und – als Anlehnung an die beiden Hauptfiguren des Films, auf einem Krankenhausbett liegend eine Frau und einen etwas jüngeren Mann. Zu hören ist anfangs ihre Bildbeschreibung. Im Weiteren sind die Bilder weitgehend von Geräuschen einer Stadt bis zum prasselnden Regen am Abschluss des filmischen ersten Teils unterlegt – und das Geisterspiel im seltsamen Krankenhaus wird zu einer Art Reise. Während der langen, ruhigen dokumentarischen Bilder einer Fährfahrt auf dem Mekong kommt mit einer zweiten Leinwand eine weitere Blickperspektive ins Spiel, etwas später noch mit je einer weiteren Spielfläche zwei weitere. In oft ähnlichen, aber nicht identischen Bildern geht die Reise weiter in eine Höhle. So kunstvoll das alles komponiert ist, so wenig persönlich oder gar berührend ist dieses Filmtheater.
Dann öffnet sich der Vorhang, gerade führte der Weg aus der Höhle zu einer Mauer, die mit Relieffiguren geschmückt ist, in den Zuschauerraum der Volksbühne und ein Laserstrahl übernimmt die Hauptrolle in Weerasethakuls Lichttheater. Mit Theaternebel entstehen da im Lichtstrahl gen Publikum Bilder vom Himmel: eine Art Röhre, dann eine steigende und fallende Fläche wie bei Abheben oder Landen eines Flugzeugs. Und schließlich sind auch Schatten von Menschen zu sehen und die Stimmen vom Anfang des Theaterfilms unklar zu hören. Die faszinierende Traumreise führt weiter – und bleibt doch reichlich leblos.
Ob es sich bei „Fever Room“ um Theater handelt, ist fraglich (wie das für Aktionen des Medientheaters des „Zentrums für politische Schönheit“ auch gilt). Wie die Volksbühne mit solchen Formaten ein Repertoiretheater werden soll, ist auch unklar. Eindeutig fehlt in dem kalten „Fever Room“ voll perfekter Technik jedoch ein menschliches Spiel mit einer konkreten Begegnung für die Zuschauer: Ohne lebendige Figuren, auf die sie stoßen könnten, bleiben die Geister auf den Leinwänden und in den beleuchteten Nebelschwaden sehr abstrakt. So sahen wir Schall und Rauch vom Feinsten.