Maurice Ravel / Gustav Holst: L’heure espagnole / The Wandering Scholar

Schäferstündchen mit dem Maultiertreiber

Maurice Ravel / Gustav Holst: L’heure espagnole / The Wandering Scholar

Theater:Opera Factory Freiburg, Premiere:12.09.2013Regie:Joachim RathkeMusikalische Leitung:Klaus Simon

Am Ende des lockeren Finalquintetts von Maurice Ravels Einakter „L’ heure espagnole“ (1907) ist auf der Bühne des Freiburger E-Werks der Kuchen fertig. Und wird von Concepcion, der einzigen weiblichen Protagonistin, dem Publikum angeboten. Es ist der Mandelkuchen, der eigentlich im Libretto von Gustav Holsts Kurzoper „The Wandering Scholar“ (1929/30) vorgesehen ist. Dort wird er von Alison in den Backofen geschoben, damit ihr nicht ganz unkeusches Zusammensein mit Father Philippe auch einen kulinarischen Höhepunkt hat. Es ist aber nicht nur der Kuchenduft, der bei der fulminanten Produktion der Freiburger Young Opera Company (Leitung: Klaus Simon) die beiden Opern miteinander verbindet. Auch inhaltlich gibt es einige Parallelen. In beiden Stücken geht die Ehefrau fremd. Beide enthalten viele komische Momente und groteske Zuspitzungen. Das so originelle wie schlüssige Inszenierungskonzept von Regisseur Joachim Rathke geht aber noch weiter, indem beide Opern als eine einzige, zusammenhängende Geschichte erzählt werden. Zuerst der Beginn von Holsts im ländlichen Südfrankreich spielender Kammeroper, dann – in einem Rückblick – Ravels Geschichte vom spanischen Uhrmacher Torquemada und seiner untreuen Gattin Concepcion, anschließend die Fortsetzung von „The Wandering Scholar“ – und ganz am Ende Ravels Finalquintett, bei dem die Figuren aus ihren Rollen heraustreten und in einer süffigen Habanera das Geschehen ironisch kommentieren. Es sind hier also die gleichen Personen, die in den beiden Stücken vorkommen. Sie tragen nur unterschiedliche Namen und leicht variierte Kostüme. Nur Torquemada (mit flexiblem, hell timbriertem Tenor: Nando Zickgraf) hat kein stimmliches Pendant. Deshalb wird er kurzerhand von seiner Gattin um die Ecke gebracht und in die Küchenkommode gelegt, wo er zum Finalquintett nochmals mit dem ebenfalls dort versteckten Father Philippe/Don Inigo Gomez (herrlich schmierig, mit kernigem Bassbariton: Michael MacKinnon) wieder auftaucht. Die dazu erfundene Mordgeschichte ist die Klammer, die die beiden Opern geschickt zusammenhält.

Ausstatterin Heike Mondschein hat für die kleine Bühne des Freiburger E-Werks eine Küche gebaut – mit einem Herd und einem Kühlschrank, Messern und Uhren. Die sexy Hausfrau Alison/Concepcion, der Sibylle Fischer glasklare Linien und körperliche Präsenz verleiht, trägt Schürze und Gummihandschuhe. Überhaupt hat die Dame einen Putzfimmel. Ein Hinweis auf ihre dunkle Vergangenheit? Eine Küche mit echtem Kuchenduft und einer langsam vor sich hinköchelnden Fleischbrühe als Ort der Verführung, die scharfen Messer als Koch- und Mordwerkzeuge zugleich – das Setting funktioniert hervorragend in seiner Doppelbödigkeit. Auch akustisch hat die Küchenwand eine Funktion, macht sie doch die dahinter positionierte Holst-Sinfonietta noch ein wenig weicher und geschmeidiger im Klang. Sowohl Benjamin Brittens Kammerensemblefassung von Holsts Kurzoper (deutsche Erstaufführung) als auch Klaus Simons eigene Bearbeitung von Ravels groß besetzter Oper, die in Freiburg uraufgeführt wird, überzeugt an diesem humorvollen Musiktheaterabend. Die Mischung der Streicher im 16-köpfigen Instrumentalensemble gelingt bis auf wenige Ausnahmen hervorragend (besuchte Vorstellung: 14.9.13). Auch einzelne Instrumentalfarben wie Fagott oder Trompete kommen gut zur Geltung, ohne zu dominant zu werden. Dirigent Klaus Simon behält die Zügel in der Hand, lässt aber dem Solistenensemble genügend Freiheit, sich zu entfalten. Ewandro Stenzowski gibt den schmachtenden Dichter Gonzalve und den reisenden Schüler Pierre mit lyrischem Schmelz und einem bunten Blumenkranz auf der Halbglatze. Florian Rosskopp (Ramiro/Louis) ist ein viriler Macho mit rotem Anzug und Cowboystiefeln. Es sind echte Typen auf der Bühne, die um die Gunst der einzige Dame buhlen. Der Geruch der Stiefel, den Concepcion lüstern inhaliert, gibt schließlich den Ausschlag für Ramiro. Und dann geht’s mit dem Maultiertreiber zum Schäferstündchen.