Die Cellistin Ekaterina Gorynina begleitet vom linken Bühnenrand aus mit leise-melancholischen Klängen das Geschehen. Das zeigt zunächst das Paar Luise (Luise Aschenbrenner) und Ferdinand (Moritz Kienemann) durchaus unterschiedlich: Sie stark und sicher, er ängstlich flehend. Doch beides wird ihnen nichts nützen in einem System, in dem Männer über Frauen verhandeln, was sie sollen, nicht, was sie sich wünschen. Und so kommt Präsident von Walter (Hans-Werner Leupelt) zwar in weißer Hose und Strickjacke daher, ist aber unbestreitbar autoritär. Ihm ist Liebe egal, die Kabalen sind längst gestrickt, jetzt werden sie Stück für Stück enthüllt.
Dabei trumpft Data Tavadzes Regie nie auf, ist nicht entrüstet, sondern zeigt genau, wie die Welt der von Walters nun mal funktioniert. Das macht frieren. Lady Milford (Betty Freudenberg), marilynblond, in raffinierter weißer Robe, zeigt in einem Mikrophon-Solo, wie sie versucht hat, etwas gegen dieses System zu tun, und daran gescheitert ist. In diesen und anderen Wort- gegen Gefühlsgefechten sind immer die Wortführer die Sieger, mag sich Ferdinand auch noch so über die Beleidigung des Präsidenten seiner Luise als Hure empören.
Selten wird in dieser dichten, stringenten, gut zweistündigen Inszenierung gebrüllt oder körperlich miteinander gerungen. Nur einmal versucht Ferdinand, Hofmarschall von Kalb (Raiko Küster) im goldenen Anzug am Boden festzunageln, weil auch der seine Luise beleidigt hat. Doch auch das hilft ihm nicht. Unaufhaltsam geht es auf die Katastrophe zu in einer Welt, in der Männer Schachfiguren, Frauen Mittel zum Zweck, bestenfalls Ziel der immer gleichen Diffamierung als Hure, sind.
Und auch dieses Unglück kommt ganz leise daher. Während Luise hinten an der Bar die Limonade mischt, komplimentiert Ferdinand ihren Vater aus dem Raum. Als Luise dann erkennt, dass Ferdinand sie mit ihrer Limonade vergiftet hat, schüttet er den Rest hastig, bis zum letzten Tropfen in sich hinein. Danach wird Ferdinand von den Machtherren nüchtern hinausgetragen, Luises Vater ringt schwer damit, den Körper seiner toten Tochter zu fassen, zu umarmen, hochzuheben. Zum ersten Mal fällt da der Cellobogen klappernd zu Boden, ein starkes Signal. Danach aber fällt er noch viel zu oft. Und dass dann die Bühnenwelt krachend zusammenfällt, ist spektakulär, aber überflüssig. Der Blick Ahmad Mesgarhas als verzweifeltem Vater, der diese Welt nicht mehr versteht, reicht vollkommen aus.