Regisseurin Marie Bues betont das, zeigt in einem nur superdezent Aliides Hof andeutenden Einheit-des-Ortes-Bühnenbild (Blanka Rádóczy) die Geschichte vom Öffnen der Einmachgläser recht sachlich – und betont allgemein menschlich, was Frauen zu tun bereit sind, um zu überleben. Aliide verrät ihre Schwester und paktiert mit dem Teufel, um die eigenen Deportation in Richtung Gulag zu verhindern: Sie heiratet einen Funktionär der russischen Okkupanten. „Denn wenn man eins wird mit dem, der die Macht hat, ist man in Sicherheit.“ Dorthin strebt auch die Inszenierung. Obwohl alles mit allen zu tun hat, gibt es kein theaterzauberisches, inhaltlich erhellendes Ineinanderfließen der Szenen, Zeiten, Geschichten – all das wird vielmehr geradezu filmisch harsch gegeneinander geschnitten. So agieren auch die Darsteller beeindruckend in ihren Rollen, spielen aber kaum miteinander. Eingemachtes bricht nur in Ausrufezeichen-Ausbrüchen hervor. Oder zischt als Wurfgeschoss durch den Raum. Bis zum reinigenden Feuerfinale. Denn wie mit der eingemachten Symbolik sorgt Marie Bues weiterhin für Klarheit.
Was bei Oksanen schon angelegt ist, wird noch einmal zugespitzt: Die männlichen Figuren (Zuhälter, Menschenhändler, Besatzer) sind nur Macker-Klischees, plus Trauerkloß-Variante. Es muss also radikal feministisch aufgeräumt werden. Wer von den Kerlen nicht schon tot am Boden liegt, wird erschossen. Aliide beginnt zu zündeln, will die Vergangenheit abfackeln. Ob dabei das Eingemachte mit verkohlt oder gar fruchtbaren Ascheboden abgibt für neues Unschuldsgrün, darf bezweifelt werden. Dass diese hochdramatische Gemengelage aufs Theater gehört, steht außer Zweifel. Nur wie funktioniert sie dort? Vielleicht geben die nächsten Versuche erfolgreicher Auskunft: Albrecht Hirche bringt am Staatstheater Hannover (12.11.) die Dramatisierung des Romans auf die Bühne, Paul-Georg Dittrich versucht sich am Theater Kiel (15.1.) wie Marie Bues in Osnabrück am ursprünglichen Drama. Ebenfalls 2012 soll das Eingemachte auch Klang werden und Jüri Reinveres Veroperung des Stoffes in Helsinki seine Uraufführung feiern.