Sita am Saarländischen Staatstheater

Endzeitstimmung

Gustav Holst: Sita

Theater:Saarländisches Staatstheater, Premiere:12.10.2024 (UA)Regie:Jakob Peters-MesserMusikalische Leitung:Stefan Neubert

Jakob Peters-Messer inszeniert Gustav Holsts Oper „Sita“ in moderner Variante im Endzeitszenario mit Intrigen, Zauberei und Machtspielen. Trotz einiger prominenter Einflüsse hat die Oper eigenen Wiedererkennungswert.

Gustav Holst (1874-1934) kennt man in Europa durch seine Orchestersuite „Die Planeten“. Seine Oper „Sita“, die knapp den Sieg beim berühmten Ricordi-Wettbewerb verfehlte, verschwand dagegen über hundert Jahre in den Archiven der British Library.

Jetzt zeigt das Saarländische Staatstheater zum 150-jährigen Geburtstag des britischen Komponisten nach jahrelangen Recherchen das Werk zum ersten Mal auf der Bühne. Jakob Peters-Messer inszeniert „Sita“, die auf dem indischen Mythos Ramayana beruht, mit einem radikal modernen Ansatz als Fantasy-Epos à la „Herr der Ringe“, die musikalische Leitung übernimmt Stefan Neubert.

Avatare und göttliche Mission

Im Mittelpunkt des Geschehens steht Sita (Lea-ann Dunbar), die Tochter von Mutter Erde (Clara-Sophie Bertram). Diese ruft im Dschungel den Bewahrer Vishnu zu Hilfe im Kampf gegen den Dämonenkönig Ravana (Markus Jaursch) und seine Rakshasas. Als Vishnus menschlicher Avatar, der nichts von seiner göttlichen Mission weiß, greift Rama (Peter Schöne) ins Geschenen ein und will seinen Bruder Lakshman (Algirdas Drevinskas) vor den Rakshasa retten. Da er ihn tot glaubt, bittet er die Mutter Erde um eine Gefährtin. Sie sendet ihm Sita, die Lakshman heilen kann, aber im Gegenzug für ihre Treue von Rama verlangt, nie an ihr zu zweifeln.

Auch Ravanas Schwester Surpanakha (Judith Braun) begehrt Rama und bietet ihm ihre Macht und Zauberkräfte an, doch er weist sie spöttisch zurück. Aus Rache lockt Ravana Rama und Lakshman weg und entführt Sita, die er selbst begehrt, aus ihrem Heim im Panchavati-Tal in sein Reich Lanka; Rama und Lakshman verspricht er seiner Schwester als Sklaven. Nach seinem Sieg über Ravana zweifelt Rama allerdings an Sitas Treue, woraufhin diese ihn mit Mutter Erde zusammen verlässt.

Zerstörte Erde

Eine heile Welt zeigt die Bühne von Markus Meyer nicht, am Anfang geistern gespenstische, unterdrückte Rakshasas in schwarz mit Gesichtsschleier zwischen grauen Müllsäcken umher, unter denen sich auch Artefakte aus der Hindu-Religion befinden. Links steht ein großer gelber Bagger. In diesem von Dämonen wie Ravana und seiner Schwester Surpanakha beherrschten Endzeitszenario, in dem die Erde zerstört und in ihrer Existenz bedroht ist, tritt das „ideale“ Paar Rama und Sita zusammen mit Lakshman und der Mutter Erde in einer psychologisch absolut stimmigen Personenführung dem bösen Zauberer und der Hexe entgegen. Die Kostüme von Sven Bindseil unterstreichen mit ihrer konsequenten Farbsymbolik von Schwarz und leuchtendem Sonnengelb den Dualismus von Licht und Dunkel, Gut und Böse. Gedanken an Elben und Menschen, Rashaks und Orks liegen nicht allzu fern.

Sita am Saarländischen Staatstheater

Markus Jaursch (Ravana) und Lea-ann Dunbar (Sita). Foto: Martin Kaufhold

Musik zwischen Licht und Dunkel

Dunkel dräuende Klänge leiten die Oper ein und beschwören von der ersten Minute an eine packende atmosphärische Dichte, den Auftritt von Mutter Erde markiert ein helles Flöten- und Streicherthema, das wie ein Lichtstrahl durch die Partitur huscht. Hymnenartige Themen lassen Lakshmans und Ramas Kampf gegen die dunklen Trommeln von Ravanas Rakshasas lebendig werden, Sita selbst fesselt von Anfang an durch ihre dramatische Eindringlichkeit, die Lea-ann Dunbars warm aufblühender Sopran in leuchtender Kraft, aber auch voll berührender Innigkeit gestaltet.

Algirdas Drevinskas begeistert als strahlender Heldentenor vor allem in seiner großen Auseinandersetzung mit Sita im zunächst idyllisch anmutenden zweiten Akt mit seiner großen Lotosblütenszenerie, als er sie getreu Ramas Weisung nicht verlassen will, obwohl sie ihn drängt, den von Ravana fingierten Hilferufen Ramas zu folgen. Peter Schöne, im sonnengelben Kostüm mit Bogen und Köcher, spielt und singt Rama mit schlank geführtem und doch vollem, ausdrucksstarkem Bariton mit einer Urwüchsigkeit, die spontan an den jungen Siegfried denken lässt. Auch Markus Jaursch als gleißnerischer Ravana und Judith Brauns mal verführerische, mal intrigante Surpanakha erinnern an Wagner-Figuren, nämlich an Telramund und Ortrud. Und bei Sitas Aufforderung an Rama, nie an ihr zu zweifeln, drängt sich die Parallele zu „Lohengrin“ geradezu auf.

Die Handschrift Gustav Holsts

Die Klangsprache von Gustav Holst weist in „Sita“ ebenfalls Bezüge zu Richard Wagner und seiner Leitmotivtechnik auf, auch Einflüsse von Arthur Sullivan sind hörbar. Dennoch hat Holst zu einer eigenen Handschrift gefunden, in der sich die aus göttlicher Mission und menschlichen Unzulänglichkeiten resultierenden Konflikte widerspiegeln. Aus Klangschichtungen entstehen harmonische Farben und Reibungen, die an Richard Strauss denken lassen, aber auch auf die freie Tonalität des beginnenden 20. Jahrhunderts verweisen.

Trotz der Längen des ersten Aktes mit seinen manchmal musikalisch unverbunden wirkenden Szenenfolgen ist das Werk dramaturgisch stringent. Besonders der zweite Akt, aber auch der dritte Akt fesseln durch ihre Dramatik. Die bringen Stefan Neubert und das Saarländische Staatsorchester in einem ungemein frischen und plastischen Klangbild zum Funkeln.