Foto: Das Ensemble in der fabelhaften Freiburger "Fanny und Alexander"-Inszenierung. © Maurice Korbel
Text:Bettina Schulte, am 17. Oktober 2012
Das Ende ist der Anfang. Die Schauspieler treten vor den Vorhang, verbeugen sich und warten offenbar auf Applaus. Den spenden die Zuschauer im großen Haus des Freiburger Theaters auch – erst zögerlich, dann zunehmend amüsiert. Und wann beginnt nun die Vorstellung? Einen schönen Gag hat sich das Regie- und Ausstattungskollektiv Julia Hölscher, Martin Hammer und Susanne Scheerer (siehe das Porträt in DDB 10/2012) ausgedacht, um auf seine Adaption von Ingmar Bergmans Filmopus „Fanny und Alexander“ einzustimmen. Fünfeinhalb Stunden dauert die Fernsehfassung, die der Regisseur als die einzig künstlerisch gültige seines späten Werks ansah.
Aus dieser opulenten tour d’horizon durch die Motive von Bergmans Schaffen zwei Stunden für die Bühne zu destillieren: Dazu braucht man einen beherzten Zugriff und die Kraft, der Suggestion von Bergmans Bildwelt standzuhalten. Über beides verfügt das Trio in erstaunlichem Maß. Der Dreh- und Angelpunkt seiner Inszenierung ist – buchstäblich – die Drehbühne, die man in Freiburg noch nie so poetisch in Szene gesetzt gesehen hat: Zwischen allerlei Birken und einer geschmückten Weihnachtstanne, viel Krimskrams und Zierrat zieht das Personal des Stücks am Auge des Betrachters vorbei: im Mittelpunkt die Theaterfamilie Ekdahl mit dem Patriarchen, seiner jungen Frau Emilie und den Kindern Fanny und Alexander, die ein sehr ausgelassenes Weihnachtsfest feiern: eine Boheme im kreativen Chaos, lustvoll dem schönen Schein hingegeben – bis, wie in Bergmans Leben, die religiöse Instanz auf den Plan tritt. Der Bischof Vegerius übernimmt nach dem Tod des Theaterdirektors das Regiment – und von der still gestellten Bühne verschwindet das ganze Theaterleben.
Im zweiten Teil agieren die Figuren in der Leere wie ausgeschnitten: Und Daniel Ben Jöhnk, dem überragenden Darsteller des Abends, gelingt das packende und bedrückende Charakterporträt eines Mannes, der Liebe mit moralischem Rigorismus verwechselt und Schläge mit dem Rohrstock für eine verkappte Sympathiebezeugung hält. Trotz einiger unvermeidlicher Brüche in der Geschichte eines Heranwachsenden (Johannes Sima), der sich vom Himmel der Kunst in die Hölle der Religion versetzt sieht, funktioniert dieser Abend: dank der szenischen Phantasie des Regieteams und einer geschlossenen Ensembleleistung.