Deutlich, aber ohne Holzhammer
Die Bühne von Martin Zehetgruber setzt subtil auf Atmosphäre mit subersivem Hintersinn. Hinter einer nüchternen Glasffront sieht man erst ein paar Gestalten. Das Vorspiel als Dialog im Schlaglicht. Hermia (Meike Droste mit der ihr eigenen, herrlich kunstvollen Portion Naivität) soll Demetrius (Langston Uibel) heiraten, liebt aber Lysander. Den spielt Marie-Luise Stockinger als Frau, der man den jungen Mann abnimmt. Bei ihrer Flucht aus Athen geraten Hermia und Lysander in den Streit, der höheren Orts und in einer Parallelwelt zwischen Oberon und Titania ausgetragen wird.
Da sind wir aber schon in dem Wald auf der Rückseite des verglasten Behausung. Die Natur ist ist hier noch mit drei mickrigen Bäumen im Spiel, die Zivilisation mit vier irgendwie versunkenen Autowracks. Das ist schon ein subversiver Brückenschlag in die Gegenwart, also eine Variante von zum Raum gewordener vergangener Zeit. Deutlich, aber ohne Holzhammer. Neben dem fein ausbalancierten Licht (Rainer Küng) hat auch die dezent live beigesteuerte Musik von Josh Sneesby ihren Anteil an der flirrenden Atmosphäre.
Überzeugende geschlechterübergreifende Besetzung
Zug kommt in dieses Wegdämmern aus der Realität in das Reich von Traum und Wahn, also ins Unterbewusstsein, wenn Puck einschreitet. Er ist bei Dorothee Hartinger ein wunderbar schnöseliger Bescheidwisser. Mit seiner Wunderdroge leitet er – auf Oberons Geheiß aber mit eigener Freude am Chaos der Gefühle – erst bei Titania und dann, aus Versehen auch bei Lysander die Richtung ihrer Liebesobsessionen um. Bei Titania, die Markus Scheumann mit einer grandiosen Hochfrisur und im hautengen langen Kleid (Kostüme: Esther Geremus) hinreißend geradezu musikalisch zelebriert, ohne ins Transenklischee zu verfallen, richtet sich die Neigung vorübergehend auf den Eselskopf des schauspielernden Handwerkers Zettel. Den gibt Oliver Nägele in all seinem Übereifer altmeisterlich sparsam, macht ihn aber keinesfalls lächerlich, auch wenn man über ihn schmunzeln muss. Bei Lysander ändert sich das Begehren in Richtung der bei Lili Winderlich erfrischend heutigen Helena, die als bislang Verschmähte nicht fassen kann und will, dass plötzlich alle beide jungen Athener hinter ihr her sind.
So wie das Herrscherpaar hier im Feenreich die Geschlechter tauscht, wirkt der Vorab-Geschlechtertausch in der Besetzung so schlüssig, dass man gar nicht auf die Idee kommt, ihn als eine Verbeugung vor dem Zeitgeist zu verdächtigen. So dezent wie diese Inszenierung die Möglichkeit bietet, sie tatsächlich auch als das von Frey im Vorfeld deklarierte Stück zur Stunde (in Sachen Klimakrise) zu sehen, so kann man auch die hier extrem in ihrem Schauspielambitionen eingeschüchterte Handwerkertruppe bei ihren Selbstzweifeln miterleben. Die Furcht wegen zu drastischer Darstellung (etwa des Löwen oder von Mord und Totschlag) am Ende belangt zu werden, und das, was sich die Truppe selbst an dem, was man heute Triggerwarnungen nennen würde, verordnet, ist nur einer von vielen Beweisen für die Genialität des Autors, der nicht nur hier die Metaebene zum Stück gleich mitliefert.
Frey überlässt es vor allem dem Text und seinen Interpreten, fündig zu werden. Die legen sich diesmal zwar selbst an die Kette ihrer komödiantischen Möglichkeiten, lassen aber umso mehr die Intensität des Textes leuchten. Im Halbdunkel einer Sommernacht.