Foto: Martin Schläpfer: "7" (b.17). Yuko Kato, Camille Andriot, Andriy Boyetskyy (vorne), Julie Thirault (hinten) © Gert Weigelt
Text:Isabell Steinböck, am 28. Oktober 2013
Mit hängenden Schultern betritt ein Tänzer die Bühne, läuft im Kreis, schlägt die Hände vors Gesicht, lässt sich müde zu Boden fallen. Diese Anfangsszene hätte auch am Ende des Balletts stehen können, nach einer langen, schmerzhaften Reise. Zu Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 7 beschreibt Ballettchef Martin Schläpfer auf der Bühne des Opernhauses Düsseldorf Wanderschaft als zentrales Thema, wenn er seine Tänzerinnen und Tänzer in schweren Stiefeln und Mänteln auftreten und mit klappernden Absätzen oder auch in Spitzenschuhen marschieren lässt. Sei es im Sitzen oder Liegen, stets bewegen sich die Beine weiter…
Schläpfers neues Ballett, „7“, ist geprägt von Ruhelosigkeit, eine Erfahrung, die wohl auch das Leben von Gustav Mahler ausgemacht hat. Als „heimatlos“ und „nirgends erwünscht“ habe sich der jüdische Komponist laut Ehefrau Alma oft bezeichnet. Martin Schläpfer nimmt diese Stimmung auf, wenn er Kriegsszenen beschreibt und rührende Momente von Freundschaft oder Liebe mit dramatischem Abschied kontrastiert. Florian Etti hat dazu eine kühl gestaltete Bühne geschaffen, mit überdimensional großen Lamellen und einem Vorhang, der den Raum mal weitet, mal verdichtet.
Im Gegensatz zu seinen sonst abstrakten Choreografien wirkt „7“ phasenweise wie ein Handlungsballett. Verspielte Momente sind dabei, etwa, wenn die drei virtuosen Tänzer, Mariana Dias, Martin Chaix und Marcos Menha, ihre Körper wie zum Flug zusammenfügen, mit ausgebreiteten Armen auf den Rücken liegen oder wie Kinder im Kreis tanzen. Trennen müssen sie sich dennoch: den Mantel über den Kopf gezogen, als würde sie zum Henker geführt, soll die Frau fortziehen; bloß nicht zurückblicken – ein starkes Bild.
Doch es gibt auch Konflikte in den vielen Paarbeziehungen, die im fliegenden Wechsel zur dramatischen Nachtmusik auf die Bühne kommen. Wenn Ausnahmetänzerin Marlúcia do Amaral ihrem Partner Bogdan Nicula die Fäuste entgegenreckt und er ihr dafür in einem ausdrucksstarken Pas de deux die langen Haare zum Strick dreht, bis sie sich fügt, wird erotisch aufgeladene Gewalt spürbar. Louisa Rachedis Solo beschreibt dagegen einen Schockzustand, wenn sie nach filigranem, federleichtem Tanz mit drei Männern konfrontiert wird, die sie schütteln, bis die Frau zusammengesunken und klein am Boden liegt.
Passend zu Gustav Mahlers Komposition, die gegen Ende lieblicher wird, wandelt sich die Stimmung auch choreografisch. Martin Schläpfer inszeniert Heimat in Momenten voll Herzlichkeit und Harmonie, wie ein kurzes Aufatmen in einem Idyll, bevor am Ende alles in sich zusammenstürzt. In beeindruckenden, großen Ensembleszenen drehen Tänzer Pirouetten wie Geschosse, dann treten sie eine Art „Reise nach Jerusalem“ an. Im furiosen Finale läuft die Compagnie im Kreis um einen kleinen Tisch herum. Wer in dieser Gesellschaft keinen Platz findet, wird zum Wanderer auf ewig.