Foto: Stefan Stoll und Louise Heckel in "Die Zeitreisemaschine" am Landestheater Detmold © Jochen Quast
Text:Christoph Schulte im Walde, am 19. Februar 2022
Mit diesem Herrn möchte man gern tauschen: Er lümmelt sich den lieben langen Tag über faul im Bett herum, kann tun und lassen, was er will, wird von vorn bis hinten bedient. Und ums Geld braucht er sich auch nicht zu kümmern – davon hat er genug! Figaro, sein etwas schlichter Bediensteter, versorgt ihn mit süßen Schlemmereien, seine Gattin Isabella, die Operndiva, trällert ihm die Ohren mit Koloraturen voll.
Die Rede ist von Gioachino Rossini, der zentralen Figur, die aktuell im Landestheater Detmold auf der Bühne steht – respektive liegt. Rossini im Jahr 1860: Das Komponieren hat er schon lange aufgegeben. Jetzt bekommt er Besuch von Felix und Frida. Die beiden Kinder haben nämlich an der „Zeitreisemaschine“ ihres Vaters herumgefummelt und sich erfolgreich aus dem Jahr 2022 in die Vergangenheit gebeamt.
Und das ist der Stoff, aus dem Detlef Heusinger seine neue Oper gemacht hat – eine „Familienoper“, wie es ausdrücklich im Untertitel heißt. Eine Familienoper ist es auch wirklich, denn an ihr werden alle Spaß haben: die 8-Jährigen nicht weniger als die 80-Jährigen.
Die bekannte Leier
Worum geht es? Zuerst um den ergrauten Großvater von Felix und Frida, der ziemlich gelangweilt in seinem Wohnzimmer sitzt. „Früher war alles besser“, so seine Erkenntnis, die er seinen Enkeln mitgibt. Und? War denn alles besser? Machen wir doch die Probe aufs Exempel! Reisen wir zurück. Und schwupps, finden Felix und Frida sich in Rossinis Schlafzimmer wieder. Man kann sich das Ergebnis dieser Zeitreise vorstellen: Nichts war besser! Im Gegenteil: Die Probleme von heute gleichen denen von gestern. Rossini ist ein Fortschrittsskeptiker, hat Angst vor der furchtbar schnellen Eisenbahn, die ihn auf Vorschlag Figaros zu einer „Wilhelm-Tell“-Inszenierung bringen soll. Lieber nicht! Rossini flüchtet sich in Konsum, auch wenn‘s der Gesundheit schadet. Und Krankheit? Ach herrje, bloß keinen Arzt!
Das alles kommt dem coolen Geschwisterpaar ziemlich bekannt vor, ähneln doch Rossinis Lebensumstände in der Mitte des 19. Jahrhunderts auffallend denen ihrer eigenen Eltern, ihrer eigenen Generation. Da kann man besser gleich wieder dahin zurückreisen, wo man hergekommen ist – was Felix und Frida auch tun. Fazit: die Welt ist verrückt! Damals wie heute. „Lasst uns in die Zukunft schau‘n und uns wirklich wieder trau‘n, zu bauen eine bess‘re Welt, die allen Menschen gut gefällt. Allen!“, lautet ganz am Schluss die Devise.
Oper für alle Generationen
Detlef Heusinger verpackt sie in Klänge, die jeden Augenblick spannend sind. Ein Theremin spielt dabei eine zentrale Rolle, aber auch elektronische Musik, die als Surround-Ereignis durch den Theatersaal kreist. Und selbstverständlich spielt das Orchester des Detmolder Theaters. Videos füttern die Augen, zwischendurch wird es andächtig, wenn der Kinderchor fromme Choräle intoniert. Das ist alles andere als „kindgerechte“ zeitgenössische Musik – sehr erfreulich. Denn das wäre das Schlimmste, was man über eine „Familienoper“ sagen kann.
In achtzig Minuten ist die Zeitreise in die Rossini-Welt vorbei, Felix und Frida wirken durchweg „nur“ als Zaungäste ohne direkten Kontakt zu dem berühmten Komponisten und seiner Umgebung. Einzelne Szenen entwickeln quirlige Lebendigkeit, vor allem Figaro und Isabella bringen Schwung ins alltägliche Geschehen rund um den behäbigen, miesepetrigen Rossini. Dann aber hat Heusingers „Zeitreisemaschine“ auch Längen; Sequenzen, in denen nicht viel passiert. Da wünschte man sich größere Stringenz.
Gesungen und gespielt wird auf absolut professionellem Niveau: Da sind Emily Dorn, Stephen Chambers, Andreas Jören und Irina Meierding aus dem Solistenensemble des Theaters, da sind aber vor allem Friedrich Schlieker und Theresa Kohler, die beiden zeitreisenden Enkel, die schlichtweg begeistern. Nicht zu vergessen die Sängerinnen und Sänger der „Detmolder Schloss-Spatzen“, die ihre große Bühnenerfahrung investieren.