Foto: "Wenn Rosenblätter fallen" am Theater Hof. Benjamin A. Merkl (Till), Birgit Reutter (Iris) © Harald Dietz, SFF Fotodesign Hof
Text:Ute Grundmann, am 23. September 2013
Der Schatten der Mutter begleitet Till auch im neuen Lebensabschnitt. Nicht nur als schwarzer Umriss auf der Wand, sondern auch in Briefen, die er in seiner neuen Studentenbude auspackt. Denn die Mutter hat ihm vor ihrem Krebstod noch Zeilen geschrieben zu wichtigen Ereignissen: Der 19. Geburtstag, der Führerschein, Weihnachten. So beginnt im Studio des Theaters Hof ein Kammermusical, das in zwei kurzen Akten das fast Unmögliche schafft: Gleich zwei Tabuthemen – Sterben und Sterbehilfe – in eine Geschichte mit Musik zu (ver)packen.
Beata Kornatowska (Bühne und Kostüme) hat dazu ein Zimmerchen aus Stellwänden (fast wie Paravents in einem Krankenzimmer) entworfen, wo auch noch Bett, Regal, Tisch und Staffelei ihren Platz haben. Denn Till (Benjamin A. Merkl) studiert Kunst, so wie seine verstorbene Mutter Rose (Stefanie Rhaue) Illustratorin war. Dass sie ihm in seinem Zimmer immer wieder als Schatten(riß) erscheint, ist hier aber kein Zeichen für eine Über-Mutter, sondern für die fröhlichen und traurigen Erinnerungen, mit denen Till fertig werden muss.
Regisseur Karsten Jesgarz lässt die Szenen geschickt ineinander fließen: Vom 19. Geburtstag mit dem Schatten geht es zurück zum 17. Geburtstag, den die Mutter noch mit ihrem Sohn feiern konnte, von da zu Kopfschmerzen, den ersten Anzeichen von Krankheit und Schwäche. Zum 19. Geburtstag bringt aber auch die neue Zimmernachbarin Iris (Birgit Reutter) einen Kuchen und ausgerechnet den Kräutertee der Mutter vorbei und mischt sich neugierig, burschikos, ein bißchen aufdringlich in Tills Leben, bis sie „Ich krieg dich rum“ schmettert.
Diese Songs (Musik Rory Six, Texte Kai Hüsgen) haben den typischen Musical-Sound – hohe, lange, meist optimistisch-dynamische Töne -, ansonsten hält sich die Musik mit Klavier (Roland Vieweg, 2. Kapellmeister) und Cello (Markus Jung) dezent zurück, setzt mal fröhlich, mal melancholisch Akzente; wenn das Sterben näher rückt, grummelt das Cello von Gefahr. Das Stück nach dem belgischen Jugendbuch „Als rozeblaadjes vallen“ von Brigitte Minne trägt bisweilen zu sehr auf: Neben der Krankheit der Mutter gibt es noch den schon verheirateten Vater Tills, der vor der Geburt des Sohnes tödlich verunglückt ist; und Möchtegern-Freundin Iris wird eifersüchtig, weil sie die Briefe der Mutter für die einer Rivalin hält. Und auch die Song-Verse schmerzen manchmal, da reimt sich „nett“ auf „gut im Bett“, haben Rosen natürlich Dornen, gibt die Mutter, die nicht mehr erwacht, im Himmel auf den Sohn acht. Aber die drei Darsteller singen und spielen das so sympathisch wie unsentimental, dass die Inszenierung auch diese Klippen meistert.
Und sie drückt sich auch nicht vor den schwierigen Szenen: Der Tanz mit Glitzerperücke in der der Krankheit abgetrotzten Urlaubsdisco etwa. Und als Till Tabletten zerdrückt, in ein Mashmallow mischt und dies seiner Mutter gibt, weil er sie nicht mehr leiden sehen will, wurde es sehr still im Studio. Aber wie das so ist in diesem Genre: Das letzte, natürlich aufbauende Lied hat die Mutter.