Foto: Szene aus der Uraufführung des Musicals "Romea und Julia" in Schwedt. © uckermärkische bühnen schwedt
Text:Ute Grundmann, am 21. Oktober 2013
„So’n Scheiß!“ flucht Julia wenig romantisch auf ihrem Balkon. Da hat sie sich ausgerechnet in einen Montague verliebt, aus der Familie, die ihrer nicht nur verhaßt, sondern auch Konkurrenz ist und noch dazu aus Polen stammt. Doch wenn der Angebetete dann erscheint, ist das alles vergessen und beide singen, in einem Duett vom und zum Balkon, gemeinsam den Mond an. So wird im Theater Schwedt Shakespeares Tragödie ganz konkret in der deutsch-polnischen Grenzregion verortet und mit viel szenischem und musikalischem Aufwand zum flotten Musical gemacht.
Die Inszenierung des Intendanten Reinhard Simon ist in mehrfacher Hinsicht ein Gemeinschaftswerk. Fünf Autoren (darunter Simon) lieferten Ideen zum Text, den Jan Kirsten schrieb; fünf Musiker (die als „Band takayo & Freunde“ auch live spielen) komponierten die Klänge. Und das Musical ist eine Koproduktion mit dem Teatr Muzyczny im. Danuty Baduszkowej, Gdynia, und dem Kleist Forum Frankfurt (Oder) – und so wird nicht nur der Romeo (Wojciech Daniel), sondern auch andere Rollen von polnischen Darstellern verkörpert. Das funktioniert gut und plausibel, während die zweite Idee, Capulets und Montagues als Konkurrenten auf dem Modemarkt anzusiedeln, ein bißchen aufgesetzt wirkt – aber immerhin zum Namedropping und einer kleinen Modenschau reicht.
Auf solche Effekte und Schauwerte setzt die aufwendige Inszenierung immer wieder, die meist vor beleuchteten Palazzo-Fassaden (Bühne: Frauke Bischinger) spielt. Den verfeindeten Cliquen sitzen die Degen so locker, dass sie ihren Hass immer wieder singen, tanzen und fechten. Aber es geht auch ganz romantisch, wenn Romeo und sein Freund ein richtiges „Jungsgespräch“ über die Angebetete (die da noch Rosalind ist) singen und tanzen. Schmissig und griffig dagegen das groteske „Aufklärungsgespräch“, mit dem Julia (Nadine Aßmann) von Mutter (Saskia Dreyer) und Amme (die Susanne von Lonski sehr markant und pfiffig gibt) eingeweiht wird, wie das mit den Männern so geht.
Die Musik dazu ist sehr gitarren- und basslastig, treibend und rhythmisch, manchmal etwas zu laut. Und wenn mal gar nicht gesungen wird, was selten vorkommt, wird das Gespräch mit Schlagzeugrhythmen unterlegt. Und das große Ensemble überzeugt spielerisch wie sängerisch, die einzelnen Typen sind genau herausgearbeitet – etwa Tybalt (Benjamin Oeser) als Korpsstudent mit Glitzer-Schmissen auf den Wangen oder Paris (Peter-Benjamin Eichhorn) als eitel-egoistischer Typ, der Papa Capulet Steuervorteile anbietet, wenn er dessen Tochter kriegt. Und Nadine Aßmann und Wojciech Daniel sind als Julia und Romeo ein überzeugendes, jugendliches Liebespaar – ob bei der romantischen Balkonszene oder der Kissenschlacht im Himmelbett. Mit knapp dreieinhalb Stunden ist das Musical allerdings etwas lang geraten, auch, weil etwa Pater Lorenzo umständlich vor und nach dem Tod des Liebespaares erklärt, wie der Trick mit dem Trank funktionieren soll(te). Da hätte eine Raffung gutgetan, ehe die Aufführung mit Fackeln, Nebel und zwei sacht fallenden Federn zu Ende geht.