Diese Einstellung erscheint konservativ und ist es auch. Gleichzeitig lässt sie sich als Fundamentalopposition deuten gegenüber der wachsenden Tendenz, Kunst nach ihrer Nützlichkeit zu betrachten. Doch um das klarer zu beleuchten, hätte Holm gleich den „Tasso“ inszenieren müssen. Sein „Hamlet“ wirkt mit Ausnahme der Schauspielerszene häufig unentschieden. Positiv ist, dass man nie weiß, was als nächstes kommt. Aber manchmal wirken die Brüche auch beliebig. Da gibt es kleine, scheue Tanzeinlagen, in denen sich Ophelia und Hamlet zu ruppigem Garagenrock der dänischen Band Sort Sol näher kommen. Aleksandar Radenkovic zeigt auch einige Momente pathetischer Verzweiflung. Dann bricht plötzlich skurriler Humor in die Aufführung. Sven Walser zeigt Polonius als Karikatur eines Kriechers, der sogar seine zusammen gebrochene Tochter liegen lässt, um dem König hinterher zu schleimen. Als er die Unterredung Hamlets mit dessen Mutter Gertrud (vielschichtig Imogen Kogge) belauschen will, krabbelt Polonius unter den goldenen Teppich und liegt da als unförmiges Etwas herum. Marianne Hoika, die seit 42 Jahren in Düsseldorf engagiert ist, und Winfried Küppers spielen im schnellen Rollen- aber ohne Kostümwechsel Rosenkranz und Güldenstern, die Schauspieler, Totengräber, Matrosen und alles andere, was man an Nebenrollen noch so braucht. Ihnen gelingen skurrile, unberechenbare Gestalten, sonst rutschen die parodistischen Momente oft ins Banale. Mit einer weiteren Ausnahme: Rainer Bock spielt als Claudius einen gefährlich schmierigen Machtmenschen, aus dem ebenso ein Bürotyrann wie ein wahnsinniger Diktator werden könnte. Er ist genervt von einer Welt, die einfach nicht so ist, wie er sich das vorstellt. Und kennt überhaupt keine Gewissenbisse, wenn es um seinen Vorteil geht. Bock ist boshaft komisch und menschlich monströs. Wenn er zwischendurch noch einmal die Hand verkrümmt, wie er es am Beginn als Geist getan hat, glaubt Hamlet sofort, seinen toten Vater zu spüren. Ein feiner Moment des Grauens.
Auch wenn man die Abwesenheit eines übergreifenden Konzeptes vermissen mag: Das Düsseldorfer Schauspielhaus verspricht mit Staffan Valdemar Holm und seinem Team zumindest ein ungewöhnliches Theater zu werden.