Foto: Maria Hilmes (Frau Holle) mit Sebastian Langer (Pech-Andy/Klarinette) © Daniel Senzek
Text:Ulrike Kolter, am 14. November 2024
Im Foyer der Deutschen Oper am Rhein ist „Holle!“ von Sebastian Schwab, Kai Weßler und Suse Pfister zu erleben – eine Miniaturkinderoper für Sopran und zwei schauspielende Instrumentalisten. Hier muss sich Frau Holle dem Klimawandel stellen und verliert die Lust an ihrem Wetter-Job. Die bezaubernde Inszenierung von Jörg Behr sollte man nicht verpassen.
Während Frau Holle die blau-glitzernden Kissen ausschüttelt, jammert und johlt sie in schönstem Sopran vor sich hin: „Die Menschen wollen, wollen, wollen immer zu viel!“ Am Flügel rechts von ihr sitzt der blondgelockte Gold-Andy (Rafael Klepsch), haut wellenförmig Tonleitern in die Tasten, während Pech-Andy (Sebastian Langer) auf seiner Klarinette die Wetterkapriolen nachahmt. Ja, Frau Holle hat‘s wirklich nicht leicht in ihrem Job mit der ganzen Verantwortung für Jahreszeiten und Klima. Wenn dann sogar Beschwerdebriefe per Luftballon herabflattern, weil dem einen die neuen Schuhe matschig wurden und der andere wegen Unwetters seine Geschäftsflugreisen absagen musste – da kann einem schon mal die Hutschnur platzen. Also zersticht Frau Holle wutentbrannt alle Ballons und schmeißt hin. Urlaub wär‘ doch auch mal schön! Sollen die anderen für das richtige Maß an Sonne, Wind und Regen sorgen. Und so stehen Pech-Andy und Gold-Andy plötzlich ziemlich überfordert allein da. Wie ging das nochmal mit dem Wettermachen?
Musiktheater für junges Publikum – ganz nah
„Holle!“ ist zeitgenössisches Musiktheater für Kinder par excellence und stammt aus der Feder des Dirigenten und Komponisten Sebastian Schwab. Nach der Uraufführung im JOiN der Staatsoper Stuttgart Ende 2021 zeigt die Deutsche Oper am Rhein jetzt die Zweitaufführung. Endlich könnte man meinen, denn das Stück mit Besetzung für Sopran und zwei schauspielende Instrumentalisten ist bestens geeignet für intime Spielorte wie Foyers oder kleine Bühnen. Im Foyer der Rheinoper sitzt das junge Publikum auf gepolsterten Bänken zentimeternah dran am Geschehen – an der lustigen wie bezaubernden Inszenierung von Jörg Behr, die allen ab sechs Jahren wirklich empfohlen sei.
Rafael Klepsch (Gold-Andy/Klavier), Sebastian Langer (Pech-Andy/Klarinette) und Maria Hilmes (Frau Holle). Foto: Daniel Senzek
Marc Weeger (Ausstattung) hat die Bühne originell in buntglitzernden Farben gestaltet. Ein kleines Rundpodest ist Bett und Spielfläche zum Kissenstapeln, wenige Utensilien werden hervorgeholt zum Wettermachen: eine Schubkarre mit Samen, ein knallroter Heimtrainer, der beim Radeln Sonne produziert, eine Blechgießkanne, Wolken aus Pappe, ein Heulschlauch fürs Pfeifen des Windes. In dieser kleinen feinen Himmelswelt switchen die beiden Andys zwischen ihren Instrumenten und den gespielten Szenen hin und her, so dass alles eins wird. Als gäbe es nichts Selbstverständlicheres als mit Klarinettentönen auf gesprochene Fragen zu antworten oder als lieblichen Frühling und tosenden Sturm am Klavier heraufzubeschwören – und nebenbei mit Frau Holle zu streiten.
Musikalisch perfektes Timing
Zwischen drei Klarinetten (A-, B- und Bass-Klarinette) wechselt der famose Sebastian Langer im Laufe des 75-minütigen Stückes. Ein schüchterner Pech-Andy ist er, rumkommandiert vom Gold-Andy des Rafael Klepsch, der vom Flügel aus durch kurze Blickkontakte fürs musikalisch perfekte Timing sorgt. Maria Hilmes gibt eine hinreißende Frau Holle in bunt-bemaltem Reifrock und mit Regenbogen-T-Shirt, bewältigt die anspruchsvollen Sprech- und Gesangsparts als liebenswerte Diva, die am Ende doch noch eingreift, um das Wetterchaos zu bewältigen.
Zeitgenössisches Kindermusiktheater zeigt sich derzeit in allen Facetten: als große Show wie zuletzt „Die kleine Hexe“ an der Komischen Oper, märchenhaft wie „Sasja und das Reich jenseits des Meeres“ am Theater Münster – oder eben als rundum gelungene Miniatur wie bei „Holle!“.