Musiktheater für junges Publikum – ganz nah
„Holle!“ ist zeitgenössisches Musiktheater für Kinder par excellence und stammt aus der Feder des Dirigenten und Komponisten Sebastian Schwab. Nach der Uraufführung im JOiN der Staatsoper Stuttgart Ende 2021 zeigt die Deutsche Oper am Rhein jetzt die Zweitaufführung. Endlich könnte man meinen, denn das Stück mit Besetzung für Sopran und zwei schauspielende Instrumentalisten ist bestens geeignet für intime Spielorte wie Foyers oder kleine Bühnen. Im Foyer der Rheinoper sitzt das junge Publikum auf gepolsterten Bänken zentimeternah dran am Geschehen – an der lustigen wie bezaubernden Inszenierung von Jörg Behr, die allen ab sechs Jahren wirklich empfohlen sei.
Marc Weeger (Ausstattung) hat die Bühne originell in buntglitzernden Farben gestaltet. Ein kleines Rundpodest ist Bett und Spielfläche zum Kissenstapeln, wenige Utensilien werden hervorgeholt zum Wettermachen: eine Schubkarre mit Samen, ein knallroter Heimtrainer, der beim Radeln Sonne produziert, eine Blechgießkanne, Wolken aus Pappe, ein Heulschlauch fürs Pfeifen des Windes. In dieser kleinen feinen Himmelswelt switchen die beiden Andys zwischen ihren Instrumenten und den gespielten Szenen hin und her, so dass alles eins wird. Als gäbe es nichts Selbstverständlicheres als mit Klarinettentönen auf gesprochene Fragen zu antworten oder als lieblichen Frühling und tosenden Sturm am Klavier heraufzubeschwören – und nebenbei mit Frau Holle zu streiten.
Musikalisch perfektes Timing
Zwischen drei Klarinetten (A-, B- und Bass-Klarinette) wechselt der famose Sebastian Langer im Laufe des 75-minütigen Stückes. Ein schüchterner Pech-Andy ist er, rumkommandiert vom Gold-Andy des Rafael Klepsch, der vom Flügel aus durch kurze Blickkontakte fürs musikalisch perfekte Timing sorgt. Maria Hilmes gibt eine hinreißende Frau Holle in bunt-bemaltem Reifrock und mit Regenbogen-T-Shirt, bewältigt die anspruchsvollen Sprech- und Gesangsparts als liebenswerte Diva, die am Ende doch noch eingreift, um das Wetterchaos zu bewältigen.
Zeitgenössisches Kindermusiktheater zeigt sich derzeit in allen Facetten: als große Show wie zuletzt „Die kleine Hexe“ an der Komischen Oper, märchenhaft wie „Sasja und das Reich jenseits des Meeres“ am Theater Münster – oder eben als rundum gelungene Miniatur wie bei „Holle!“.