Überall dort wird Anita Berber, berühmte Tänzerin der 20er Jahre, einmal sein. Der Abend ist keine Biographie im eigentlichen Sinne, er wirft Schlaglichter auf ein grelles Leben. In eben der Bar gibt es stilisiertes Frauenboxen, bis Anita Berber und Sebastian Droste (Mattia Carchedi) als Glamourpaar alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Wie ein (Drogen-)Traum erscheint der anschließende, erotische Ausdruckstanz der beiden, der laszive Posen mit klassischen Elementen verbindet.
Bläser und Harfe geben die langsame Begleitung dazu – komponiert von Simon Wills. Als Auftragswerk hat der amerikanische Komponist versucht, die Stimmung der Zeit einzufangen – mit Charleston-Anfängen am Beginn, mit scharfen, schrägen Bläsern, bedrohlichen Klängen, aber auch emotionsgeladenen Passagen. Das Philharmonische Orchester unter Takahiro Nagasaki gibt all diese Stimmungen exzellent wieder.
Die Choreographie aber beschränkt sich allzuoft darauf, das Thema „Anita Berber und die Männer“ darzustellen. Anastasiya Kuzina, die die Tänzerin in allen Facetten und Nuancen wunderbar darstellt, inmitten von Männerreihen im Frack, die Anita Berber umschlängelt und umschlingt, in einer Mischung aus Gesellschaftstanz und Ballettschritten, flachen Hebungen und gestreckten Drehungen mit ihnen tanzt, um sie dann abzuweisen oder abgewiesen zu werden.
Diese Szenen sind zu lang, um wirklich prägnant zu sein. Ähnlich geht es, als Jirí Bubenícek das Thema „Krieg“ hineinnehmen will: Da schwebt Otto Dix‘ Gemälde „Totentanz“ über der Szene, auf der junge Männer mit Gasmasken das Grauen der Schlachten darstellen wollen. Auch hier zu lang und wiederholt, als dass es prägend sein könnte.
Anders die Szene, als Otto Dix (Predrag Kovicic) Anita Berber in das lange, sehr ästhetische Gewand einer (Sucht-)Klinik steckt, wo sie dann unter den kalten Neonröhren mal ausdrucksvoll, mal ausdrucklos-verloren umherschreitet. Eindrucksvoll dann der Schluss. Es ist wieder Otto Dix, der sie in ein schwarz-weißes Pierrot-Kostüm steckt. Erst tanzt sie darin grotesk, mit wie verrenkten Gliedmaßen, dann reißt sie sich auch dieses Kostüm vom Leib, taumelt und fällt auf das Podest, auf das sie so oft gehoben wurde und auf dem sie nun endet.