Doch die Bregenzer Seebühne bietet ja immer auch spektakuläre Inszenierungen. Regisseur Keith Warner und Bühnenbildner David Fielding haben den ermordeten Marat aus Jacques-Louis Davids berühmtem Bild statt in die Badewanne nun in den Bodensee gelegt. Zwei Körperflächen Marats werden erstmals für die Projektion des deutschen Textes genutzt. Auf Marats linker Schulter dienen ein offenes Buch mit Chéniers Gedichten, rechts ein historischer Spiegel und in seiner Hand ein großes Schriftstück als Spielflächen. Marats Körper ist von vielfältigen Treppen überzogen, die Massenauftritte erlauben, aber das Geschehen auch ein wenig zu sehr zergliedern. Aus Sorge um das wenig bekannte Werk hat Regisseur Warner Textaussagen zusätzlich bebildert oder durch ergänzende Figuren ausspielen lassen, alle üppig, aber dramaturgisch hilfreich kostümiert (Constance Hoffmann) bis hin zu einem Sensenmann, dessen Todesdrohung die Szenen durchzieht. Prompt werden Stuntmen spektakulär zu Tode gestürzt, gehängt oder ertränkt.
Einiges wirkt überdeutlich oder verdoppelt. Doch für den mitdenkenden Zuschauer gibt es da den Satz, dass „die Revolution ihre Kinder frisst“ sowie Szenen, in denen die Alten ihre Enkel als letztes Aufgebot in den Krieg schicken und Blutrichter wüten… Ja, es findet sich Brandaktuelles wie die Anklage, dass da ein Land seine Dichter mordet und die sehnsuchtsvolle Utopie, „die Not der Geschlagenen und Unterdrückten zu lindern“. Plötzlich wurde Giordanos gut einhundert Jahre alte Oper auch zum mahnenden Beispiel, wohin allzu große soziale Ungleichheit führen kann.