Foto: Ein Gag nach dem anderen: Michael J. Mayer, Friederike Fink und Roman Kimmich im Eisenacher "Ben Hur" © Tobias Kromke
Text:Ute Grundmann, am 9. Juni 2019
Statt der Kreuzigung gibt es ein Wagenrennen. Das ist der eigenartige Fokus, den Autor Rob Ballard in seiner Komödie „Ben Hur“ ansteuert. Es ist nicht das einzig Seltsame an diesem Stück, das Slapstick, Comedy, Satire und Sketch zugleich sein will, aber nichts davon richtig macht. Da kann auch Regisseurin Mareike Zimmermann am Landestheater Eisenach nicht gegensteuern.
Dabei beginnt es ganz witzig, nämlich als fixes Theater-im-Theater. Meckern über die Regie, ein Mime ist nicht da, wird von einem Mob vertreten („Der ist weniger hölzern als Micki“), einer hat seinen Text nicht gelernt. Und für’s Publikum gibt es die Sicherheitsübung „Rette sich, wer kann“. Doch nach 20 Minuten schaut man zum ersten Mal auf die Uhr und hat noch zwei Stunden vor sich.
Mit William Wylers Film „Ben Hur“ von 1959 (damals Oscar für Charlton Heston) hat das von Frank Sahlberger übersetzte Stück gerade mal den Titel gemein. Monumental ist hier gar nichts, stattdessen gibt es vier Mimen (Friederike Fink, Michael J. Mayer, Alexander Beisel, Roman Kimmich), die sich in allerlei Rollen redlich mühen. „Anno Domini Null“ machen sich die Weisen aus dem Morgenland auf den Weg nach Bethlehem, den Retter der Menschheit („Mensch_innenheit“ quatscht eine immer wieder dazwischen) zu grüßen. Der Engel weiß, wieso der in einem Stall geboren wurde: weil zu Weihnachten alle Hotels ausgebucht sind.
So geht das fort, bis die Titelfigur erscheint: Ben Hur ist bei Ballard eine Frau, was sie hinter einem kratzigen Vollbart versteckt – Benni Hur sozusagen. Das aber ist hier keine Aussage, sondern bloß ein Gag, wie so vieles. Schafkissen werden wie Basketball-Puschel geschüttelt, zelotische Brüder tragen Palästinensertücher und Simon von Syrakus trifft den Apfel auf den Kopf, der Tell Judäas. Da wollen natürlich auch Bühnenbild und Kostüme, beides von Claudia Weinhart, putzig mitmischen: Zwei Bauhaustürme geben Messalas Festung, kurze Treppen die Wagen beim müden Rennen. Die Darsteller tragen mal weiße Socken zu Sandalen, mal Bademantel über der Toga und die Schafhirten sehen aus wie Tom Pauls in seiner Paraderolle als Ilse Bähnert. Bei solchen Gags will das Programmheft natürlich nicht zurückstehen und besonders witzig sein, vergisst dabei aber, über den Autor zu informieren. Wie viel gescheiter, gehaltvoller und wirklich komisch hat Ulrich Hub in seinem Kinderstück „Das letzte Schaf“ dagegen die Weihnachtsgeschichte ins Heute geholt, das er selbst im November 2018 am Theater Junge Generation Dresden uraufgeführt hat.
Nichts davon beim Briten Ballard. Stattdessen sexistische Sprüche wie „eine Frau soll eine Stellung haben, aber bitte horizontal“. Und dass das noch von einem Frauen-Regieteam inszeniert wird, macht das Ganze besonders befremdlich. Natürlich werden Ben Hur alle schweren Arbeiten abgenommen, wie sich das für ein Rollenklischee gehört. Sie wird mit einem Stasi-Trick nach Rom gelockt, wo ein Typ mit T-Shirt-Muskeln und Fistelstimme die Galeere dirigiert und das Publikum mitrudern lässt. Nun wird es auch noch Mitmachtheater! Und wenn der Galeeren-Admiral Arius zu der seltenen Einsicht kommt, er müsse wirklich mal sein Frauenbild überdenken, so gilt das auch für den Autor. Ein einziger guter Gag gelingt dem Stück und der Inszenierung von Mareike Zimmermann: Die Warnung „vorsichtig mit dem Winkel vom Arm“ bei den „Heil“-Rufen auf Cäsar. Der radebrecht italienisch, küsst Ben Hur den Hass von den Lippen und wird „Titus Tinnitus“ genannt. Ein Weiser beantwortet am Ende immer noch Quizfragen und schließt den Kreis – am Kreuz.
Zwei Lacher, verhaltenes Kichern, aber Jubel am Schluss.