Max Rothbart und Felix von Manteuffel vor Beckett

Und ewig grüßt Godot

Samuel Beckett: Warten auf Godot

Theater:Residenztheater, Premiere:28.03.2025Regie:Claudia Bauer

Claudia Bauer inszeniert am Münchner Residenztheater Samuel Becketts „Warten auf Godot“. Der moderne Klassiker wird dabei Vorlage für ein virtuoses Spiel um ein ungefähres Unwohlsein.

Warten auf Godot“ ist das vielleicht bekannteste, bedeutendste, prägendste Drama des 20. Jahrhunderts. Das Spiel der beiden vage definierten Hauptpersonen Estragon und Wladimir alias Gogo und Didi setzt sich aus scheinbar ziellosen Dialogen über ihre unbestimmte Situation, ihre Hoffnungslosigkeit, ihre Erwartungen zusammen. Die einzige Handlung in beiden Akten besteht aus dem zweimaligen Erscheinen von Pozzo und Lucky, einem als Herr und Knecht definierten Duo, sowie vor dem jeweiligen Aktende aus dem Auftauchen eines Jungen. Der bestätigt zwei Mal, dass Herr Godot heute nicht, aber morgen komme. Das titelgebende Warten auf Godot ist der rote Faden in diesem Spiel von Verzagtheit und Vagheit. Am Schluss der zwei Akte fordert jeweils ein anderer der Protagonisten: „Gehen wir!“, was von der finalen Regieanweisung „Sie gehen nicht von der Stelle“ konterkariert wird.

Auflockern des Klassikers des 20. Jahrhunderts

Beim Wiederlesen des Suhrkamp Taschenbuchs Nummer 1 fallen die peinlich genauen Regieanweisungen auf. Samuel Beckett schrieb diesen modernen Klassiker 1948, nach seiner Uraufführung 1953 folgten zahlreiche Inszenierungen. 1975 inszenierte es der Autor selbst am Berliner Schiller Theater. Schockierend wirkt „Warten auf Godot“ nicht mehr, weil wir uns in metaphysischer Unbehaustheit , wie sie Estragon und Wladimir zu schaffen macht, seit Jahrzehnten eingerichtet haben. Dabei spiegeln die Dialoge aus heutiger Sicht auch eine weinerliche Männerwelt, die aufgrund der strengen Aufführungsvorgaben des 1989 verstorbenen Dichters etwa in der Besetzung nicht gebrochen werden kann.

In Claudia Bauers Inszenierung am Münchner Residenztheater erscheint immer wieder ein Avatar des irischen Dichters, der mit leichtem Akzent die heiligen Regieanweisungen verkündet, zu Beginn typisch genau in seiner Unbestimmtheit: „Landstraße. Ein Baum. Abend.“ Doch zunächst sehen wir im Live-Film, im Stil früher Farbfilme, Max Rothbart und Florian von Manteuffl in einer Garderobe. Hier beenden sie das Spiel nach knapp drei Stunden auch wieder. Durch diese vielfachen Rahmungen schickt die Inszenierung – soweit das angesichts der strengen Spielregeln des Autors möglich ist – das Spiel vom Warten in eine Zeitschleife, spiegelt und bricht die historische Bedeutung des Stücks.

Schöner Rhythmus der Ödnis

Und sie setzt damit alle möglichen Anflüge von Schwere in Anführungszeichen. Rhythmus schafft neben den genau einstudierten Bewegungen und Dialogen der Protagonisten auf einer drehbaren Schräge (Bühne: Andreas Auerbach) das begleitende Trio mit Eugen Agzijan (Cello), Michael Gumpinger (Klavier/Synthesizer) und David Pätsch (Schlagzeug/Percussion). Wie Marionetten zappeln die zwei Männer in gräulichen Anzügen und schwarzen Melonen (Kostüme: Vanessa Rust), tänzeln sie im Rhythmus der Musik wie Federn im Wind das rituelle Warten. Sie üben sich sachte im heraufschauenden Hund und erinnern an Jugendliche mit AHDS.

Dieses Ausspielen der komischen Warterei gelingt ebenso überzeugend, wie Michael Goldberg erfolgreich als seniler Befehlsgeber Pozzo an einen greisen Macho-Präsidenten dieser Tage erinnert oder Lukas Rüppel spannend in dem ihm verordneten „Tanz“ durch sexuelle Andeutungen Machtgrenzen austestet.

Am Ende des virtuosen Spiels bleibt aber doch die Frage, wo die Anknüpfungspunkte von „Warten auf Godot“ auf die aus den Fugen geratene Gegenwart liegen. In der „Valentinade“ am Residenztheater ist Claudia Bauer bewundernswert der Zeittransfer von Karl Valentins skurriler, anarchischer Klugheit in die Gegenwart gelungen. Becketts Clowns wirken hingegen doch eher wie Unterhaltungskünstler aus einer Kunstwelt. Und toxische Männlichkeit, wie sich in der Figur Pozzo angedeutet ist, wird am selben Haus derzeit in der Shakespeare-Umschreibung „Sankt Falstaff“ deutlich griffiger spielerisch umkreist.

Bei ihren beiden Abgängen, vor der Pause und vor dem Schluss, markieren die drei nun maskierten Musiker den Jungen, während seine Stimme künstlich erzeugt erklingt. Die ewige Wiederholung des Unbegreiflichen nutzt Claudia Bauer für einen feinen Abend, der sich irgendwie im Sinne des übermächtigen Autors ein wenig in die Länge zieht.