Foto: Steffi Lehmann (Eine junge Frau) und der Opernchor des DNT Weimar © Matthias Horn
Text:Ute Grundmann, am 31. März 2014
Eine junge, schwangere Frau sucht Schutz für sich und ihr ungeborenes Kind, sucht Ruhe in selbstverständlichem Frieden. Langsam, sehnend singt sie diese Frage nach der Welt, in die ihr Kind geboren werden wird – eine Welt, so wird man bald sehen, die voller Streit und Gewalt ist. So beginnt im Deutschen Nationaltheater Weimar eine Uraufführung, an der Schauspiel, Musiktheater und die Staatskapelle Weimar beteiligt sind: „Vom Lärm der Welt oder Die Offenbarung des Thomas Müntzer“. Künftig soll es so ein Mehrsparten-Projekt zur Historie mit Weimarer Bezug in jeder Spielzeit geben.
Zum Auftakt also und schon mit Blick auf das Luther-Jahr 2017, das Stück von Christian Lehnert über die Antipoden ihrer Zeit: Luther, der Freiheit, aber auch Unterordnung predigt und Müntzer, der den sozialen Umsturz will.
In der Inszenierung Hasko Webers wird daraus eine große Umschau auf die vergangene und heutige Welt, geht es in kurzen 90 Minuten um die ganz großen Fragen von Gerechtigkeit und Gehorsam, Auflehnung und Terrorismus. Oliver Helf hat dazu eine Art Schiffsbug auf die Bühne gebaut, ein helles, nach links abfallendes Halbrund, das, gedreht, einen kirchenähnlichen Raum ergibt. In dem ist der Chor mal oben auf dem Bug Zuschauer, mal unten Akteur, wenn Thomas Müntzer predigt. Ihn gibt es doppelt: von Jörn Eichler gesungen, von Michael Wächter gespielt; ebenso Luther mit Bjorn Waag (Gesang) und Bastian Heidenreich (Spiel). Warum aber die beiden Sänger im Rollstuhl beziehungsweise am Rollator daherkommen, bleibt unklar.
Mit diesen beiden geht es im Sauseschritt durch die Historie: Vom Bauernaufstand von 1525 zu heutigen Salafisten, vom Lutherbrief in den deutschen Bundestag, vom „Kopernikanischen Raum“ zu einem deutschen Bahnhof im Jahr 2014 mit Rucksack-Bombenalarm. Über einen zum Islam konvertierten deutschen Arzt streiten eine Minnie Mouse- und eine Occupy-Maske, drei Dämonen in weißen Operettenuniformen treiben ihr Unwesen, Rosa Luxemburg kommt zu Wort, per Video werden heutige Freiheits-Demonstrationen und Wladimir Putin (vermutlich bei der Unterschrift unter die Krim-Annektierung) eingeblendet.
Das ist rasant, wenn auch nicht immer schlüssig, haut dem Zuschauer, der die Untertitel zur Orientierung braucht, viel um die Ohren (das Programmheft braucht alleine zwei Seiten, um all die Zitate nachzuweisen) und bleibt doch oft theoretisierend. Spannend wird es immer dann, wenn Sven Helbigs Musik ins Spiel kommt: Historische Texte verrockt er, dann wieder läßt er Choraltöne anklingen. Und der eindrucksvolle, von Markus Oppeneiger und Fabian Wöhrle einstudierte, Chor kann martialisch vom Mord an 5000 Bauern singen und gleich darauf um gnädiglichen Frieden flehen. Der Schluß gehört dann, wie der Anfang, wieder der jungen Frau, ohne Kind, die wieder eine dieser großen Fragen hat: „Ist denn am Ende Erbarmen?“