Kommunikation durch Kopräsenz
Dabei ist die Orientierung hier zu Beginn durchaus schwierig: Am rechten Bühnenrand legt jemand elektronische Beats auf (DJ Elephant Power), die körperlich anwesenden Tänzer:innen agieren in kleinen Gruppen, tanzen einander zugewandt und durcheinander, während auf zwei Gazen die ersten holografisch projizierten Darsteller:innen eher wahllos auftauchen und wieder abgehen. Lauren Steel hat das Ensemble in üppig-hippe, artifiziell verfremdete Trainingsanzüge gekleidet, deren grelle Neonfarben sich in den verschlungenen Stoff-Pfaden wiederfinden, die Stefanie Thiersch (verantwortlich auch für das Bühnenbild) in den Tanzboden integriert hat. Die Kopräsenz der anwesenden Tänzer:innen und der Hologramme vor dem Hintergrund der farbintensiven Ausstattung wirkt zunächst einmal wie ein großformatiges Durcheinander – und lässt die Zuschauenden im Dunkeln tappen: Ist die scheinbare Willkür der anfänglichen tänzerischen Formationen beabsichtigt, womöglich als Ausdruck einer vermeintlichen Zufälligkeit der Begegnung? Hinzu kommt, dass der Dreidimensionalitäts-Effekt der Hologramme aus der Perspektive des Zuschauerraums (im Tor 6 von oben) etwas leidet.
Doch nach und nach verzahnt die Choreografie das tänzerische Spiel der real und der digital anwesenden Darsteller:innen auf immer intensivere Weise und entwickelt dadurch zusehends Kraft. Die Künstler:innen auf beiden Ebenen beginnen stärker miteinander zu kommunizieren, sprechen auch miteinander, und Bewegungen der projizierten Tänzer:innen lösen reale Bewegungen der Anwesenden aus: etwa ein Fußstampfen eine Erschütterung. Die Sprache schlägt gar eine Brücke bis ins Publikum hinein, etwa wenn die Zuschauenden von der Gaze aus gefragt werden, ob ihnen die virtuelle Präsenz ausreicht. Eine simple, aber trotzdem nicht triviale Frage, die sich hier jede:r stellen muss. In rund 85 Minuten brennen die durchweg leistungsstarken Tänzer:innen in Stephanie Thierschs Choreografie ein hochenergetisches Feuerwerk verschiedenster internationaler Tanzstile ab, von traditionellen afrikanischen Techniken bis hin zum Urban Dance, das schließlich in einer wilden, ausgelassenen Party mündet. Die Frage danach, wer hier eigentlich gastgebend ist, soll laut Programmheft bewusst vermieden werden – und lässt sich doch nicht ganz umschiffen. Denn so vernetzt die beiden Wirklichkeitsebenen auch sein mögen, die reale Präsenz bleibt, bei aller Sichtbarmachtung der Abwesenden, die dominantere an diesem Abend. Ein gelungenes Beispiel für ein intensives Miteinander von Tanz und Digitalität ist er trotzdem.