Schauspieler (vorne) treffen Puppenspieler (hinten)

Puppen und Menschen

William Shakespeare: Macbeth

Theater:Theater der Stadt Aalen, Premiere:02.12.2017Regie:Tonio Kleinknecht/Jan Jedenak

Im Gegensatz zur Lady weiß Macbeth, dass er, wenn er König Duncan ermordet, noch viele andere wird töten müssen, er selbst in dieser tragedy of ambition nur als eine Art Marionette funktionieren kann. Insofern liegt es nahe, dass man „Macbeth“ als genuinen Stoff für das Figurentheater betrachtet. Und so taucht das Stück häufig in den Spielplänen des Schauspiels wie des Puppentheaters auf, weniger bisher in Cross-Over-Formen. Am Theater Aalen wagen Tonio Kleinknecht und der Figurenspieler Jan Jedenak nun eine Mischform. Alice Katharina Schmidt zeigt eine wunderbar präsente Lady Macbeth, aasig ständig ihren Ehegatten vor sich hertreibend, bestimmend und dann gegen Ende ihre Dynamik verlierend. Feinfühlig führt sie vor, wie sie immer mehr an ihrem Traum von Partizipation an Macht zerbricht, weil sie spürt, dass ihr Ehemann anders denkt und anders handelt, als sie es möchte. Arwid Klaws spielt diesen Macbeth als etwas müden, manchmal pathetischen Ehemann mit nur wenig „ambition“, ein Getriebener ohne Ziel und deshalb sich in pathetische Phrasen rettend. Kurz: Schmidt und Klaws spielen ein Ehepaar, das zwischen Täuschungen und Enttäuschungen lavierend sich gegenseitig auszutricksen versucht. Wenn man will, eine Variation zu den vielen Ehekömödientragödien, die den schlammigen Untergrund bürgerlichen Lebens ausloten. Nur, mit dem kleinen Unterschied, dass es hier nicht nur um private Konflikte geht, sondern diese Auswirkungen auf die große Politik haben, die Straße mit Leichen gepflastert sind.

Macbeth und seine Lady sind in Aalen die einzigen Menschendarsteller. Alle anderen Rollen werden von drei jungen Spielern von der Figurentheaterabteilung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart als Kooperationspartner der Aalener gespielt. Aber wie! Anne Brüssau, Robert Buschbacher und Emilien Truche haben nicht nur eine tolle Präsenz auf der Bühne, sondern entwickeln mit ihrer Spielfreude auf der Bühne ein virtuoses Spiel mit Masken, Fingerspielen, Handpuppen, Klappmaulpuppen und überdimensionalen Puppen wie König Duncan. So werden die Hexen mit Masken gespielt, die zunächst ganz nah am Gesicht der Spieler sind, sich dann aber doch im freien Spiel ablösen. Die Söhne von König Duncan werden allein mit Puppenköpfen dargestellt, während die wichtigen Gegenspieler von Macbeth wie König Duncan oder Macduff als fast lebensgroße Figuren in der Bunraku-Technik (drei Spieler führen hier eine Figur) vorgeführt werden.

Figuren müssen „gebaut“ werden. Die Wirkung der Figuren hängt nicht nur davon ab, wie sie geführt und animiert, sondern auch, wie sie konstruiert werden. Da muss man Januscz Debinski ein großes Kompliment für seine Figurengestaltung aussprechen. Nur, um es an einem Beispiel zu beschreiben:  allein die groteske Deformierung des Gesichts und die Gestaltung der überdimensionierten Hände bei der Klappmaulfigur des Pförtners charakterisiert diese versoffene Figur. Für ihre Inszenierung haben Kleinknecht und Jedenak ein praktikables Bühnenbild geschaffen, ein silbern ausgeschlagener Tisch (Podest), der Versenkungen hat, der sich aber auch zur Puppenspielbühne aufschlagen lässt, kurz: universell verwendbar ist, wo sich sogar kleine Schlachten mit Silberhütchen inszenieren lassen. Kleinknecht und Jedenak sprudeln vor Einfällen. Stephanie Krey hat dazu Kostüme geschaffen, in denen zwei Farbtöne dominieren: Schwarz und Kirchenpurpur.

Die Musik von Claus Wengenmayr allerdings zerstörte die Leichtigkeit des Spielens. Diese psychedelisch beruhigenden Töne lockten eher den Schlaf herbei, als das Spiel der wunderbaren Stuttgarter Figurenspieler und von Schmidt/Klaws zu unterstützen. Ansonsten sah man ein spannendes, virtuoses und unterhaltsames Spiel mit ganz verschiedenen Genres, in dem einfach eine Geschichte erzählt wird. Die Dramaturgie von Tina Brüggemann in der Übersetzung von Marie-Louise Brüggemann lässt zwar „the bloody man“ vermissen, aber die Geschichte von Macbeth und seiner Lady wird voll auserzählt.