Foto: Sie streiten und vertragen sich. Meister Eder (Ferdinand Dörfler) und sein Pumuckl (Benjamin Oeser) © Christian POGO Zach
Text:Manfred Jahnke, am 20. April 2018
Das Revival des Kinderserienhits um den rothaarigen Kobold lebt von den Einfällen und Arrangements des Komponisten Franz Wittenbrink
Generationen sind mit den Geschichten von Meister Eder und dem Kobold Pumuckl aufgewachsen, die ab 1962 in Hörspielform vom Bayerischen Rundfunk gesendet wurden. Danach gab Ellis Kaut ihre Geschichten als Bücher heraus – in zehn Bänden von 1965-1978. 1982-1988 schließlich produzierte der BR eine Fernsehreihe in zwei Staffeln mit 52 halbstündigen Folgen samt einem Pilotfilm in Spielfilmlänge. Gustl Bayrhammer als Meister Eder und Hans Clarin, der mit seiner hohen Stimme der Zeichentrickfigur des Pumuckl seine Einmaligkeit einschrieb, prägen die Rollenbilder der Figuren bis heute, trotz zwei weiterer Filme und einem Musical, das – laut Wikipedia – auf Tourneen immerhin 250.000 Zuschauer erreichte. 2015 starb die Autorin. Und um die von ihr geschaffenen Figuren wurde es ruhiger
Aber nun ist er wieder da, der Kobold mit dem roten Haar, mit „Pumuckl. Das Musical“, uraufgeführt am „Mein Gärtnerplatztheater“ in München. Es wird keine neue Geschichte erzählt, „weil das Neue die Musik ist“, wie der nicht ganz unbekannte Komponist Franz Wittenbrink in der SZ berichtet. In der Tat dreht sich alles um die altbekannten Motive, das Sichtbarwerden des Pumuckl, die Schwierigkeiten des Meister Eder, weil der Kobold seine Kunden neckt und verunsichert, die Abenteuer auf dem Schloss, das immer stärker werdende Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Protagonisten und den großen Krach, der kurzfristig sogar zum Auszug des Pumuckl und dann die Versöhnung. Dennoch gelingt es Anne X. Weber in ihrem Libretto, die Handlung nah ans Heute zu holen. Denn jenes gemütvolle Handwerkermilieu besteht ja in der gentrifizierenden Community von München kaum noch. Auch das Bühnenbild von Karl Fehringer und Judith Leikauf gibt sich nicht der Sentimentalisierung einer vergangenen Zeit hin. Vor einer abstrakten Silhouette der Stadt München entstehen die verschiedenen Handlungsorte – Schreinerwerkstatt von Meister Eder, Wirtshaus, Schloss oder das Wohnzimmer des befreundeten Herrn Schmitt – auf der Drehbühne.
Es tut gut, dass hier nicht melancholisch auf eine untergegangene gemütliche Welt, sondern auf die Anarchie des Pumuckl und seine Vergangenheit als Klabautermann, der ja eigentlich eher auf Schiffen seine Streiche ausführte, abgehoben wird. Wenngleich auch das seltsam altmodisch anmutet. Zumal die Kostüme von Tanja Hofmann dann doch mit bayerischer Folklore arbeiten und auch die Erzählweise der Regie von Nicole Claudia Weber eher behäbig bleibt und das anarchisch-komische Potential der Situationen nicht voll ausschöpft.
Tatsächlich ist hier der eigentliche Akteur die Musik. Abgesehen von ganz wenigen Rezitativen und knappen Dialogen hat Franz Wittenbrink mit dem Co-Orchesterarrangeur Mathias Weibrich die Partitur durchkomponbiert. Das musikalische Material erscheint in verfremdeten Variationen immer wieder neu . Bayerische Folklore mit Zither und Bläsereinsetzen wandelt sich zum breiten Big-band-Sound zur kleinen eleganten Opern- oder zur großformatigen, fast klassisch anmutenden Musicalparodie. Es ist schon Klasse, was Wittenbrink da an Zitaten ausgräbt und mit welcher Frische er sie in verfremdeter Form serviert, vom bekannten Auftrittslied der Fernsehfilme „Hurra, hurra der Pumuckl ist da“ bis zum rührenden Kinderlied Schlaf, Kindlein, schlaf“. Diese Musik macht Spaß, sie fordert zum Erraten der Melodien auf und wenn dann noch ein Orchester wie das vom Gärtnerplatz unter dem Dirigat von Andreas Kowalewitz mit so viel Spielwitz auftritt, dann ist der Erfolg garantiert.
Zumal es auch Freude bereitet, dem Ensemble zuzuhören und zuzuschauen, auch, oder gerade, weil Klischees benutzt werden, mit denen bewusst ironisch gespielt wird, wofür die Liedtexte von Anna X. Weber glänzende Vorlagen sind. Sicher haben es Benjamin Oeser als Pumuckl, mit sehr hoher Stimme, und Ferdinand Dörfler als Meister Eder am schwersten, sind ihre Rollen doch stark von den Bildern der Illustratorin Barbara von Johnson und der Darstellung in Film und Serie vorgeprägt. Beide nutzen diese Rollenvorbilder produktiv, sind aber in ihrem Spiel viel aggressiver und emotionaler als diese, dabei getragen von Wittenbrinks Melodien, der mit seiner Musik genaue Haltungen für die Sänger definiert. Leider ist hier nicht der Raum, um alle Mitwirkenden zu nennen, die in den Choreografien von Karl Alfred Schreiner typenreich zu spielfreudiger Hochform auflaufen. Stellvertretend genannt seien Marianne Sägebrecht als Lehrerin, Dagmar Hellberg als resolute Gräfin und Angelika Sedlmeier.
Kurz: Das Gärtnerplatztheater, das den „Pumuckl. Das Musical“ als Auftragsarbeit vergeben hat, kann alle seine Stärken ausspielen, bietet musikalisch wie sängerisch gute Unterhaltung für Jung und Alt. Und Pumuckl lebt.