Foto: "Killer Joe" im Foyer des E-Werks. Sebastian Kowski (Killer Joe) und Lutz Salzmann (Ansel Smith) © Henning Kreitel
Text:Andreas Falentin, am 17. November 2014
„Killer Joe“, der Erstling des damals 24-jährigen Autors, 1989 uraufgeführt und 2011 mit Matthew McConaughey in der Titelrolle erfolgreich verfilmt, wird in den USA häufig gespielt. Das Stück steht in der großen, mit O’Neill und Arthur Miller beginnenden Tradition des amerikanischen Familienstücks, weist aber gleichzeitig deutlich auf die von Filmen wie Tarantinos „Pulp Fiction“ geprägte Ästhetik der 90er Jahre voraus. Immer wieder treten physische Gewalt und deren Androhung als Kommunikationsmittel an die Stelle von Sprache. Gleichzeitig wird eskalierende Brutalität so zynisch wie augenzwinkernd als Gag-Vorbereitung funktionalisiert.
Chris hat sich mit seiner Mutter zerstritten. Er rennt zu seinem Vater Ansel, der jetzt mit Sharla verheiratet ist, um sich auszujammern und diesen anzuschnorren. Er hat keinen Erfolg und entwickelt die Idee, seine Mutter umbringen zu lassen, um die Versicherungssumme zu kassieren. Die Familie ist begeistert. Auftritt Titelfigur. Joe Cooper ist im Zivilberuf Polizist und überschüttet die verbrechenswillige Familie mit Regeln für Auftragsmorde. Dazu gehört vor allem: Vorkasse. Die kann Familie Smith nicht leisten. Also nimmt Joe Dottie, die Tochter, als „Pfand“ und macht sie sich gefügig. Außer dem Mord, der professionell ausgeführt wird, geht alles schief. Alle feinden sich an. Blut fließt. Viel Blut. Joe wird Vater.
Das DNT verortet den kruden Stoff im Foyer eines alten Elektrizitätswerks, der Experimental-Spielstätte des Hauses, eine spektakuläre, ideale Location für nahezu alles. An der Bar, rechts neben der improvisierten Bühne, kann man, daily special, leckere, frisch zubereitete Burger kaufen. Teresa Rinn kombiniert verwohntes Billig-Mobiliar mit amerikanischer Emblematik: Flagge und Lichterkette, ständig laufender Fernseher und Riesenkühlschrank voller Bier. Brian Bell, selbst Texaner, setzt in seiner Weimarer Debut-Inszenierung vor allem auf eine flüssige Erzählung der Handlung. Er wickelt die Brutalitäten ohne Peinlichkeiten ab und kann daher die Comic Reliefs etwas weniger knallen lassen als denkbar wäre. Stark ist seine Inszenierung da, wo sie Stille zulässt. Wenn die junge Florenze Schüssler als völlig orientierungslose Dottie etwa einfach dasteht und man zusehen kann, wie etwas versucht, in ihr zu denken. Sebastian Kowski in der Titelrolle scheint sie förmlich um sich zusammenzuziehen, diese Stille. Er trägt nur schwarz, auch im Bett, und den Stetson, das Machtsymbol des verbeamteten Kleinbürgers, zieht er nie aus. Kowski ist kein John Travolta. Seine Souveränität ist nicht nervös, eher bräsig, phlegmatisch, freudlos gemütlich, verbirgt offen Einsamkeit. Coolness hat er sich angezogen wie einen schicken Ausgehmantel. Eine Gegenspielerin findet er in der furios und präzise aufspielenden Anna Windmüller als heimliche Plotterin Sharla, der man die Armut, den „White Trash“, wirklich glaubt.
Brian Bell hat den Stoff so weit „entamerikanisiert“ wie möglich, zeigt eine durch soziale und wirtschaftliche Armut zerrüttete Familie, die überall leben könnte, stellt auch das Unterschicht-Milieu in keinem Moment aus. Dadurch geht der Fluchtpunkt aller US-Dramatik verloren, die Reibung am Mythos vom Amerikanischen Traum. Zurück bleibt eine wirkungsmächtige Komödie, die nicht schön anzusehen ist.