Foto: Szene aus Verdis "Rigoletto" in Freiburg. © Maurice Korbel
Text:Georg Rudiger, am 19. März 2012
Rigoletto ist schon da, bevor ein Ton erklungen ist. In schwarz-rotem Clownskostüm latscht er auf die Bühne und tritt in den Scheinwerferkegel. In der Hand hält er eine Posaune. Sein Blick ist wirr, sein Schritt unsicher. Dann hebt er das Instrument an – und aus dem Orchestergraben ertönt das Vorspiel in kalter Präzision. Regisseur Thomas Krupa hat Giuseppe Verdis Oper ganz auf die Titelperson ausgerichtet, die am Freiburger Theater Züge eines Psychopathen zeigt. Und in Juan Oroczo einen Sänger gefunden, der mit seinem mächtigen, manchmal auch etwas dröhnenden Bariton besonders die dunkle Seite des Narren offenbart. Drei weiße, spießige Fertighäuser stehen auf der Bühne. Zwei davon sind derangiert, als habe sie ein Tsunami weggespült (Bühnenbild: Simeon Meier). In einem solchen ist das fensterlose Zimmer der von Rigoletto eingesperrten Tochter Gilda eingerichtet.
Ein Bett, eine Toilette, ein Waschbecken, überall Puppen und Kuscheltiere. Man denkt an eine junge Frau, der die Jugend gestohlen wurde, man denkt vielleicht auch an das beklemmende Verlies von Natascha Kampusch. Aleksandra Zamojska ist diese zerbrechliche Gilda. Ihr lyrischer Sopran berührt besonders in den leisen, intimen Passagen. Leider intoniert die Polin am Premierenabend immer wieder zu hoch – und zieht zurück, wenn es dramatisch werden müsste. Als Figur bleibt diese fragile, in bunte Klamotten gesteckte Gilda (Kostüme: Sabina Moncys) aber in Erinnerung. Ihren Tod durch den Auftragskiller Sparafucile (mit bedrohlichem Bass und seltsamer Perücke: Jin Seok Lee) erleidet sie in ihrem Kinderbett.
Wenn man eine Geschichte so zugespitzt erzählen möchte wie Regisseur Thomas Krupa es tut, dann bedarf es glaubwürdiger Darsteller und einer sehr guten Personenführung. Beides vermisst man leider am Premierenabend. Besonders der für den eigentlich geplanten Fausto Reinhart engagierte Mario Sofroniou als Herzog von Mantua wirkt auf der Bühne völlig unbeholfen. Meistens steht der nicht mehr als solide singende Tenor, der kaum eine Gesangslinie entwickelt, breitbeinig da und zeigt ein paar überkommene Operngesten, wenn er nicht gerade Monterones Tochter (Kristina Malyseva) an den Haaren über den Boden zieht. Man nimmt ihm weder den jugendlichen Liebhaber noch den grausamen Frauenschänder ab. Auch den Chorszenen fehlt die darstellerische Fokussierung, um dieses Kammerspiel anzuheizen. Der höfische Ball zu Beginn des ersten Aktes ist in Freiburg eine peinliche Proletenparty in Unterhosen. Man muss auf das Philharmonische Orchester Freiburg hören, um die ganze Bandbreite der Verdischen Emotionalität zu erfahren. Generalmusikdirektor Fabrice Bollon schöpft sie aus – mit zartem Streichterton und knackigem Blech, mit großem Pathos und einem guten Gespür für Rubato.