Szene mit Denia Nironen, Friedemann Eckert und Andrea Thelemann

Praktische Willkommenskultur

Maxi Obexer: Illegale Helfer

Theater:Hans Otto Theater, Premiere:09.06.2016 (UA)Regie:Yvonne Groneberg

Maxi Obexers Dokumentarstück „Illegale Helfer“, das auf Interviews mit Schweizer Fluchthelfer*innen beruht, rief schon vor seiner deutschen Premiere in Potsdam die AfD auf den Plan. Im Mai forderte deren Fraktion in der Stadtverwaltung, das Stück  nicht zur Aufführung kommen zu lassen, weil in ihm „Gesetzesbrüche honoriert und für gut befunden“ würden. Mit diesem Antrag konnten sie sich nicht durchsetzen, und wenn auch die Premiere viel Aufmerksamkeit fand, ging sie ohne Proteste über die Bühne.

Maxi Obexer hat viel Material gesammelt zu den Widersprüchen zwischen Menschenrechten und nationalen Handlungsrechten, die gegen die Flüchtenden angewandt werden. Vorgetragen wird ein Text, der erklärt und informiert. Über staatliche Verhaltensweisen, die nur an Ablehnung orientiert sind. Und über Menschen, die in die Rolle von Helfern der Flüchtenden hineinwuchsen. Die Texte sind dokumentarisch sachlich und verhehlen nicht, dass sie eigentlich Hörspieltexte sind. Was für die Potsdamer Aufführung zu einem ungelösten Problem wurde.

Anzeige

In der schmucklosen Reithalle, dem kleinen Spielort des Potsdamer Theaters, dreht eine Drehbühne mit Mittelwand auf leerem Spielpodest vier Personen immer wieder vor das Publikum. Da stehen sie dann und tragen Texte vor. Es wird kaum gespielt, sondern allenfalls markiert. Die Szenen wirken wie Volkshochschulkurse, gelegentlich anrührend, zuweilen aber in ihrer Aufsage-Form auch eher peinlich.

Dabei gelingt die Einführungsszene immerhin locker und überzeugend. Da tritt ein Mann vor die Bühne und erzählt von seiner Unsicherheit, was er denn konkret tun könne. Diese Figur eines Unsicheren holt die Zuschauer als Verkörperung des wohlmeinenden Zeitgenossen bei ihrer Haltungen und Überlegungen ab.

Im Züricher Café habe er mit seinen Kindern gesessen und dabei daran gedacht, wie er Flüchtenden helfen könne, erzählt er. Vielleicht einen  Kurs machen, in dem Flüchtende für ihre Anhörung vorbereitet werden? Der Mann hat in den Schweizer Bergen einem Flüchtenden, der über die Grenze gekommen war, den Weg ins Dorf gezeigt. Doch die Dorfbewohner halfen dem Flüchtling nicht, sondern zeigten ihn an. Weil er mit der Grenze auch Gesetze übertreten hatte.

Dann berichten im didaktischen Szenendurchlauf „Illegale Helfer“ von den unterschiedlichsten Schwierigkeiten, die ihnen bei ihrem Eintreten für Flüchtende gemacht werden. „Im Moment des Eingreifens machst du dich strafbar“, heißt es. Dabei  stehen die vier Darsteller frontal vor dem Publikum und verkünden Paragraphen und mögliche Sanktionen. Und sie erzählen, wie sie ganz unfreiwillig zu illegalen Helfern wurden. Von 60tausend Anträgen wurden in der Schweiz nur 2% genehmigt. Die Autorin  berichtet nicht, was die Flüchtenden in ihrer Heimat erlitten haben, sondern, wie eine bürokratische Abwehrverwaltung sie behandelt. Zum Beispiel, indem sie einen Vierzehnjährigen einfach zum Sechzehnjährigen erklärt, um ihn abschieben zu können. Da die Schauspieler reale Helfer verkörpern, erfährt man zugleich viel davon, wie Menschen aus zufälliger wie aus selbstverständlicher Hilfe sich immer stärker engagieren.

Das ganze wirkt wie eine zugleich nützliche wie aufrüttelnde Informationsveranstaltung. Zu einem Theaterstück aber wird der wenig mehr als einstündige Abend nicht. Zwar erfährt man viel. Doch wenn Regisseurin Yvonne Groneberg ihre Darsteller zum Theaterspiel anzuleiten versucht, wird es eher peinlich für das Publikum. Da sitzt dann ein Darsteller, der die reale Figur eines Aktivisten namens Genner verkörpert, aber auch als Rechtsanwalt und Verwaltungsrichter für Flüchtende eintritt, in einer Verhörsituation kreuz und quer übers Gesicht gefesselt vor der Video-Kamera. Später wird er von seinem Jackett wie von einer Zwangsjacke zusammengeschnürt, während seine Hände durch die Krawatte fixiert sind. Oder drei Darsteller ziehen sich Ku-Klux-Klan-Papiermasken über und beschmieren Texte an der Wand mit dem Slogan „Wir sind wir.“ Und dumpf dräut die Musik dazu.

Theatralisch ist der Abend eine einzige Enttäuschung. Doch sein Informationsgehalt ist wie der des Programmhefts hoch. Wie man bei diesem Thema Information durchaus mit theatralischer Sinnlichkeit  vermitteln kann, das hat vor kurzen Volker Lösch mit seiner Inszenierung von „Die Schutzflehenden“ in Mannheim gezeigt.