Nach dem von Kritikern nahezu einhellig beklagten Fehlstart der Berliner Volksbühne unter Chris Dercon Mitte November folgt mit „Women in Trouble“ nun die erste Uraufführung im Stammhaus am Rosa-Luxemburg-Platz. Kennedy ist die einzige Theaterfrau im künstlerischem Leitungsteam der Volksbühne und repräsentiert genau jene Interdisziplinarität, die der neue Intendant als zukunftsweisend sieht: Theater zwischen Installation und Schauspiel.
Die Regisseurin bleibt ihrem Markenzeichen treu und lässt die Schauspieler mit Latex-Masken auftreten und deren Text per Playback einspielen, die Stimmen so emotionslos wie von Computern. Vier identische Angelinas in Jeans und Turnschuhen geistern durch die Räume, dazu ihre Mutter, Ärzte, eine Rezeptionistin, Schauspielkollegen aus der Serie. Kunstfiguren ohne Individualität und Seele, die belanglose oder hoch verquaste Gespräche über Krebs und Meditation führen oder mechanisch Liebesszenen nachspielen. Schwer erträglich sind der seichte Psycho-Talk und das schwülstig esoterische Geraune, die aus den Lautsprechern dringen. Alles auf Englisch mit deutschen Übertiteln: „The stream of knowledge is heading towards a non mechanical reality. The universe is immaterial, mental and spiritual. Live and enjoy.“
Auf Deutsch: Der Wissensstrom fließt auf eine nicht mechanische Wirklichkeit zu. Das Universum ist immateriell, geistig und spirituell. Lebe und genieße. Kennedy hat aus Internet-Splittern, Video-Clips, Cassavetes-Szenen und Bibelzitaten eine Text-Collage zusammengeklittert. Bisher konnten sich ihre Kunstfiguren meist an Dramen oder Filmstoffen abarbeiteten; hier aber gibt es nichts mehr, was der artifiziellen Welt Widerstand leisten würde. Zurück bleibt ein abstruser, transzendenter Psycho-Trip in einem extravaganten Kunst-Setting – ohne jegliches Erleben und jede Emotion.
Die Regisseurin selbst hatte ihre Arbeit vorab so großspurig wie metaphysisch aufgeladen: von Artaud und Totalem Theater war die Rede, Feminismus, Tod und Wiedergeburt. Sich selbst verlieren statt Selbstfindung. Das Subjekt habe ausgedient. „Aufgesplitterte Charaktere“ würden „in ungeschönter Menschlichkeit“ sichtbar. Nur: dass der Mensch verschiedene Ichs besitzt, dekliniert die Postmoderne schon seit Jahrzehnten durch.
Im Programmheft ist von „posthumaner Realität“ die Rede. Posthuman – das ist tatsächlich ein treffender Begriff für Kennedys Theater. Ein fatalistisches Theater, das den Menschen abgeschafft hat und sich in toter Installationskunst gefällt. Das den Zuschauer kalt lässt und über zweieinhalb zähe Stunden narkotisiert – oder aus dem Saal treibt. Die Reihen lichten sich merklich noch vor dem Schlussapplaus, der mit einigen Buhrufen versetzt ist. Ergebnis: Eine inhaltlich eher dürftige, aber ästhetisch eigenwillige Uraufführung in englischer Sprache, die sich perfekt auf den globalisierten Kunstmarkt (das Theater Rotterdam hat koproduziert) exportieren lässt: Chris Dercon ist auf dem besten Weg, noch jedes Vorurteil zu bestätigen, das ihm vorauseilte.