Foto: Kotbong Yang, Sophie Rois, Trystan Bütter © Luna Zscharnt
Text:Martina Jacobi, am 22. September 2024
Das Schauspielhaus Zürich zeigt die Inszenierung „Liebe, einfach außerirdisch“ von René Pollesch als Ersatz für eine eigentlich neu geplante Inszenierung der überraschend verstorbenen Regielegende. Statt Abschiedsschmerz zu zeigen, feiert der Abend seine Theaterarbeit.
„Das kommt gut“ („ds chunt guet“, schweizerdeutsch für „das wird gut“), ist schon im Foyer des Pfauen in Zürich zu hören. Schließlich ist, was gleich auf der Bühne passiert, nicht neu und erwartbar unterhaltend, aber dennoch besonders. „Liebe, einfach außerirdisch“ von René Pollesch, inszeniert von René Pollesch verrät das originale Programmheft des Deutschen Theater Berlin. Die Uraufführung war am 1. Juli 2022. Geplant war in Zürich eigentlich eine neue Inszenierung der Regielegende und Berliner Volksbühnenintendanz, also holt das Haus als Ersatz etwas älteres aus der Pollesch-Schatzkammer.
„Liebe, einfach außerirdisch“ passt ganz gut, denn irgendwie geht es darin zwar vor allem um Sex oder eher darum, wie sich zwei voneinander angezogene Menschen oder Aliens näher kommen. Dahinter kommen aber dann doch die Themen Liebe und Abschied zum Vorschein. In dem dreiköpfigen originalen Uraufführungsensemble sind Trystan Pütter, Kotbong Yang und Sophie Rois, die nach Chris Dercons Ernennung zum Intendanten an der Volksbühne gekündigt hatte, mit der Pollesch dann am DT weiter zusammenarbeitete.
Auf der Bühne dreht sich alles um einen phallischen Turm in der Mitte der Bühne, mit textlichen Anspielungen auf einen Tower (of Power), einer Sexposition, und der dreht sich auch um sich selbst. Das Publikum sieht mal die Wendeltreppe im Inneren, mal die Vorderseite, wo ganz oben „Westwood“ prangt. Gleich zu Beginn fallen zwei Buchstaben ab, hier passiert eben kein romantischer Hollywood-Schnulz. Und zugleich ist der Turm ein simple Idee, um die Hierarchie im Theaterpublikum darzustellen, denn was ganz oben passiert, sehen nur die ersten paar Reihen mit den teureren Karten und der Rang erst recht nicht, wie Rois immer wieder kommentiert.
Der phantasmatische Schirm
Die zwei Außerirdischen (Sophie Rois und Kotbong Yang) sollen auf ihrer Mission Dr. Albright (Trystan Pütter) auf der Erde finden, der mit seinem Radarstrahl in ihre Atmosphäre eingedrungen ist. Die ständigen Anspielungen auf die Geschlechtsdominanz und deren Dekonstruktion sind durchweg Teil des Spiels. Der menschliche Geschlechtsakt ist das dominierende Thema, eingebettet in die Sci-Fi-Rahmenhandlung. Beide Aliens erscheinen weiblich auf der Erde. Warum? „Weil du verloren hast. Wie ich.“, sagt Yang als das eine Alien, das sich im 60er-Style als Putzfrau Knoop des Wissenschaftlers tarnt.
Da sind vor allem lustige Momente, wenn es darum geht, was ein Mensch tut, um einer anderen Person näher zu kommen, vom „wollen Sie auf einen Kaffee mit reinkommen?“ bis zum gegenseitigen Sahnetorte-Füttern. Diese simplen Klischees treibt der Text auf die Spitze und das Ensemble legt dem spielerisch noch eins oben drauf. Natürlich verschmiert die Sahnetorte schließlich Rois‘ ganzes Gesicht. Menschliche Sexualtriebe und körperliche Erregung, die über den natürlichen Fortpflanzungsakt hinausgehen, werden zum dominierenden Merkmal unserer Spezies überhöht. Pütters Mimik- und Bewegungstalent tragen die Komik, gerade auch in der Slow Motion-Verfolgung, als er sich dem Griff der von ihm besessenen Rois entwindet. Die Stimmung im Saal ist durchgehend amüsiert.
Alles dreht sich in der Inszenierung also scheinbar um Sex. Oder eben doch nicht. In der Liebe oder Annäherung an ein anderes Wesen steckt mehr dahinter. Der „phantasmatische Schirm“, der rein Körperliches mit Fantasie verknüpft und alles aufregender macht. Das ist ungreifbarer, kann missverständlich sein, ist manchmal „einfach außerirdisch“.
Dann ist die Mission beendet und die zwei Aliens verlassen die Erde. Eine berührende Bedeutung bekommt die Schlussszene, in der Rois Dr. Albright anbietet, ihn sich und alles vergessen zu lassen. Nur will er das nicht. „Aber ich würde dich vor Schmerz bewahren“, sagt sie und das überzeugt ihn dann schon eher: „Also gut. Solange ich dich immer noch lieben kann.“
Die Ensembleleistung trägt die Inszenierung. „I’ll be gone“ singen die drei am Ende im Chor und tanzen über die Bühne. Das wirkt mit dem Text wie eine Hommage auf das Leben und auf Pollesch. Es ist zwar ein Abschied, doch vielleicht auch eine Hoffnung: Polleschs Wirken ist noch da und das Theater mit dem phantasmatischen Schirm auch. Hoffentlich begleitet es uns noch eine Weile.