Foto: Oğulcan Yılmaz fleht Ann-Beth Solvang an © Felix Grünschloß
Text:Georg Rudiger, am 26. Januar 2025
In einer deutschen Erstaufführung inszeniert Christoph von Bernuth die französische Oper „Phèdre“ von Jean-Baptiste Lemoynes Tragédie am Badischen Staatstheater Karlsruhe. Dabei begeistert vor allem Ann-Beth Solvang als Königin.
Am Ende sind beide tot. Phèdre durch Suizid, der von ihr begehrte, aber keusch gebliebene Stiefsohn Hippolyte durch Neptuns Meeresungeheuer. Regungslos liegen Ann-Beth Solvang und Krzysztof Lachman im Badischen Staatstheater auf den Treppenstufen, ehe der Chor den ruhigen, leise endenden Schlussgesang anstimmt. Die deutsche Erstaufführung von Jean-Baptiste Lemoynes Tragédie lyrique „Phèdre“ endet musikalisch und szenisch stark. Den größten Applaus erhält Ann-Beth Solvang für ihre expressive Gestaltung der Titelpartie.
Unbekannte französische Opern sollen in Karlsruhe in Zukunft unter dem neuen Intendanten Christian Firmbach einen festen Platz bekommen. Auf die vorliegende ist das Produktionsteam durch eine Aufnahme des französischen Musikzentrums Palazzetto Bru Zane im Radio gekommen, die die am 26. Oktober 1786 im Schloss Fontainebleau uraufgeführte Oper nach einem Libretto von François-Benoît Hoffmann, dem späteren Librettisten von Cherubinis Erfolgsoper „Médée“, wieder ausgegraben hatte. Sie lieferte auch das Notenmaterial für diese erste szenische Produktion seit über 200 Jahren.
Das Orchester als Gefühlsverstärker
Die Badische Staatskapelle hat Dirigent Attilio Cremonesi mit Barockinstrumenten bei den Blechbläsern und den Pauken besetzt. Die Balance mit Chor und Solisten ist ausgezeichnet. Die Streicher haben Grip und entwickeln Schärfe bei den Dissonanzen. Die Holzbläser spielen ihre Linien schlank und mit klarer Phrasierung. Schon in der kontrastreichen, kleinteiligen Ouvertüre zeigt das Orchester eine große Bandbreite zwischen Flöten-Intimität und majestätischem Trompeten-Prunk. In den langen, teilweise auch langatmigen Rezitativen, die meist fließend in kurze Arien oder Duette münden, wird das Orchester zum Gefühlsverstärker. Nur die Basslinien in den Streichern geraten gelegentlich intonatorisch aus der Spur. Und manche von Cremonesi gewählten Pausen zwischen zwei Musiknummern erscheinen unmotiviert.
Tappen im Dunkeln
Leider fällt Regisseur Christoph von Bernuth im ersten Teil des Abends nicht viel ein. Das Geschehen bleibt im Halbdunkel stecken, immer wieder wird Nebel auf die Bühne geblasen. Auch das abstrakte Bühnenbild von Oliver Helf schafft zwischen weißen Stecken und kühler Treppe keinen Raum, der etwas mit den Figuren zu tun hat. Zumal sie sich oft in Zeitlupe mit übertriebenen Operngesten auf der Bühne bewegen.
Die Geschichte dieser verbotenen Liebe aus der griechischen Mythologie bleibt künstlich und distanziert, was auch an den prächtigen viktorianischen Kostümen von Karine Van Hercke liegt. Zu Beginn trägt Ann-Beth Solvang als in Hippolyte verliebte Phèdre, Ehefrau von König Thésée, Schwarz. Ihre starken Gefühle äußern sich in Solvangs dunkel timbrierten, dramatisch auflodernden Mezzosopran. Gegenüber ihrer Präsenz fällt Krzysztof Lachman als lyrischer, aber zu nasal klingender Hippolyte deutlich ab. Phèdres Vertraute Oenone stattet die Sopranistin Anastasiya Taratorkina mit hellen Farben und schlackenloser Tongebung aus. Der häufig in Damen- und Männerchor aufgeteilte Badische Staatsopernchor (Leitung: Ulrich Wagner) überzeugt mit Homogenität und Klangvolumen.
Ein wuchtiges Ende
Nach der Pause gewinnt die Produktion szenisch an Intensität. Die mit Hippolyte-Schriftzügen ausgemalte, fensterlose Kammer Phèdres zeigt deren Obsession. Die Beschwörung Neptuns durch Armin Kolarczyks im Laufe des Abends immer stärker werdenden Thésée, befeuert durch ruppige Streichertremoli und schneidende Hornsynkopen, hat Wucht. Stark, wie Ann-Beth Solvang, nur gestützt von einer dünnen Streicherlinie, von der Einsamkeit dieser am Ende emotional zerrütteten Königin singt. Der Reifrock als Gefängnis, die Gesellschaft als Korsett.